Stachel der Erinnerung
der
seine Gefühle nicht zeigte. Sie hatte keine Ahnung, was er wirklich dachte. Und
immer wieder erinnerte er sie an einen gestrengen Erzieher.
In bezug
auf ihre Kleidung zum Beispiel. Er hatte ihr unmißverständlich klargemacht,
daß keines ihrer Kleider einen tieferen Ausschnitt bekommen durfte.
»Ich
pfeife, verdammt noch mal, auf die letzte Mode«, hatte er geschimpft. »Ich will
nicht, daß jeder Dummkopf in London deine nackten Brüste anstarrt.«
Jessie
erstarrte. »Du bist unvernünftig, Matthew Jede Frau der Gesellschaft ...«
»Ich gebe
einen verflixten Pfifferling darum, was jede andere Frau tut. Mir liegt nur
daran, was du tust. Und da ich der Herr dieses Hauses bin und auch dein Lord
und Herr, wirst du, verdammt noch mal, das tun, was ich sage.« Mit diesen
Worten war er aus dem Zimmer gestürmt und hatte eine vor Zorn bebende Jessie
zurückgelassen.
Den Rest
des Tages sprach sie nicht mehr mit ihm. Sie beachtete ihn kaum beim Essen,
doch als sie sich dann in ihr Zimmer zurückzog, wartete er schon auf sie.
Unruhig lief er im Schlafzimmer hin und her.
»Mir ist
klar, daß du noch immer böse auf mich bist«, begann er, »aber unsere
Auseinandersetzung hat keinen Einfluß darauf, was wir in diesem Zimmer
miteinander tun.« Entschlossen hatte er sie an sich gezogen und sie so
leidenschaftlich geküßt, daß sie völlig vergaß, wie wütend sie war. Jessie
konnte nicht anders, als seinen Kuß zu erwidern, und im nächsten Moment hatte
er sie schon auf seine Arme gehoben und zum Bett getragen.
Nach einer
ekstatischen Vereinigung kuschelte sie sich an ihn und entschied, daß ihr die
Mode eigentlich ziemlich egal war.
Ein anderes
Mal hatten sie sich über ihre Ausritte über Land gestritten. Es war schon
Wochen her, seit sie die Pächter von Belmore das letzte Mal besucht hatte. Sie
vermißte diese Besuche und war entschlossen, herauszufinden, ob es ihren Freunden
Anne und James Bartlett gutging.
»Wo willst
du hin?« hatte Matt sie gefragt, als er sie im Stall überraschte, gerade, als
sie sich fertigmachte loszureiten.
»Das habe
ich dir doch erzählt. Ich möchte gern einige alte Freunde besuchen.«
»Ich hatte
angenommen, daß ein Stallknecht dich begleiten würde.« Er sah sich um. »Aber
hier ist keiner.«
»Ich bin
kein Kind mehr, Matthew. Ich kann sehr gut allein ausreiten.«
»Du bist
vielleicht kein Kind mehr, aber du benimmst dich wie eines. Du wirst einen
Stallknecht mitnehmen, oder du wirst zu Hause bleiben.«
»Matthew
...«
»Es tut mir
leid, Jess. Du weißt nicht, welche Gefahren dort draußen auf dich lauern. Und
eine Frau allein gibt immer Anlaß zu Klatsch. Ich möchte nicht, daß es noch
mehr davon gibt als sowieso schon.«
Sie machte
sich nicht die Mühe, ihn daran zu erinnern, daß er derjenige war, der den
Klatsch zum Blühen gebracht hatte. »Jeder Mensch braucht ein wenig Zeit für
sich allein, Matthew. Ich genieße meine Ritte um Belmore herum. Und ich habe
die Absicht, sie fortzusetzen, so wie ich es in der Vergangenheit getan habe.«
Mit diesen Worten kletterte sie auf den Holzklotz, von dem aus sie sich im
Damensattel auf das Pferd setzen konnte. Doch genauso schnell hatte Matthew sie
wieder vom Pferd heruntergehoben.
»Du wirst
mit einem Stallknecht ausreiten, Mylady, oder gar nicht. Wie hättest du es
gerne?«
Wut stieg
in ihr auf, und die Reitpeitsche in ihrer Hand zitterte. »Du bist mein
Ehemann, Matthew, nicht mein Gefängniswärter.«
Sein
Gesicht war starr. »Du hast die Wahl, Jessie.«
»Verdammter
Kerl!«
Er zog
einen Mundwinkel hoch. »Ich dachte, du würdest nicht mehr fluchen.«
»Bei dir
würde sogar ein Heiliger das Fluchen lernen.«
Ganz
plötzlich trat er näher und drängte seinen Körper gegen sie. »Vielleicht wäre
es besser, wenn du doch zu Hause bleiben würdest. Dort drüben im Sattelraum
liegt ein Haufen frisches Stroh. Ich
denke, wir könnten die Tür schließen, und ich könnte mir eine höchst
unanständige Art und Weise denken, wie 'wir dieses Stroh nutzen können.«
»Matthew!«
Er klemmte
sie provozierend zwischen die Wand und sich, und Jessie fühlte, wie erregt er
war. »Abgesehen davon«, murmelte er, »liegt dort drüben über einem der Fässer
ein Sattel. Ich kann mir gut vorstellen, dich darüber zu legen, dir deinen Rock
hochzuschieben und ...«
»Ohhh, du
bist ein Teufel!«
Er küßte
ihren Hals. »Vergiß deinen Ausritt, Jess. Bleib hier bei mir.«
Sie wußte
ganz genau, was er beabsichtigte, und sie war
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