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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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liest. Ich weiß alles über Roland, was mein Vater über ihn wusste. Und ich kenne sogar seinen wahren Namen .
    Es strömten nun nur noch wenige Menschen zum Eingang. Es war spät – oder früh, je nachdem, wie man das sah.
    Im nächsten Moment lief es mir wieder eiskalt über den Rücken. Meine Nackenhaare sträubten sich. Ein Vampir. Ganz in der Nähe.
    Dereks Wallach wieherte, meine Stute aber blieb ganz ruhig. Dieses Pferd gefiel mir.
    Ich wandte mich langsam um und sah den Blutsauger die schneeweiße Fassade des Casinos herabkommen. Er kroch mit dem Kopf nach unten, wie ein mutierter Gecko, und seine langen gelben Krallen gruben sich in den Mörtel.
    Der blasse, straff gespannte Leib war geradezu in nekromantische Magie getränkt.
    Der Vampir kroch herab, bis sein Kopf auf meiner Augenhöhe war, dann hob er das Gesicht. Er war im Leben eine Frau gewesen. Der Untod hatte die zarten Züge geschärft, und nun sah er aus wie jemand aus einem Todeslager. Der Blutsauger starrte mich mit gepeinigtem Blick an. Er hob eine zarte Hand, die einen kleinen Gegenstand hielt. Langsam öffnete er das Maul. Das Gesicht zuckte, versuchte sich zu verwandeln.
    »Ich glaube, der gehört dir«, sprach Ghasteks Stimme aus der Kehle des Vampirs. Der Vampir öffnete die Hand, der Gegenstand fiel heraus, und ich fing ihn auf. Es war mein Wurfdolch. Wie aufmerksam. Er hatte sogar das Vampirblut abgewischt.
    »Sag mal, Kate«, sagte Ghastek. »Wieso lackierst du deine Dolche schwarz?«
    »Damit sie nicht glänzen, wenn ich sie werfe.«
    »Ah. Das leuchtet mir ein.« Aus der Kehle des Vampirs stank es nach Tod.
    »Sollen wir?«
    »Bitte.«
    »Wohin geht’s?«
    Er wusste ganz genau, wo Gregs Wohnung war. Wahrscheinlich ließen sie das Haus überwachen.
    »Bring mich nur bis zur Grenze eures Territoriums. Ecke White/Maple reicht völlig.« Zu spät fiel mir wieder ein, dass Greg genau an dieser Kreuzung gestorben war. »Aber das ist eigentlich auch nicht nötig.«
    »Doch, das ist es. Wenn du direkt nach einem Besuch im Casino ums Leben kommen würdest, müssten wir eine Menge unangenehme Fragen beantworten.«
    Ich tätschelte den Hals meiner Stute, machte die Zügel los und stieg auf.
    »Ein Pferd«, sagte Ghastek angewidert. »Ich hätte es wissen müssen.«
    »Hast du was gegen Pferde?«
    »Ich bin gegen die Viecher allergisch. Nicht dass das unter diesen Umständen eine Rolle spielen würde.«
    Er hütete einen Stall voller Untoter, aber bei einem guten alten Pferd musste er niesen.
    »Geh du vor«, sagte ich. Der Vampir ging los, auf unbeholfene Weise aufrecht. Blutsauger sind nicht dazu gemacht, auf ebener Erde zu gehen. Das erfordert Koordination und Atmung, und das fällt einem nicht eben leicht, wenn man gar nicht mehr atmen muss.
    Ich drückte meiner Stute die Hacken in die Flanken, und sie trabte locker los. Derek auf seinem Wallach folgte uns dichtauf.
    Ghastek ging ein paar hundert Meter weit mit dem Vampir zu Fuß und verlegte sich dann doch wieder auf luftige Höhen. Er stieg an der Seite eines Gebäudes hinauf und sprang von dort, der Schwerkraft trotzend, zum Nachbarhaus. Dann flog seine magere Gestalt auch an der dritten Fensterreihe vorbei, die Krallen packten die Mauer gerade lange genug, um sich lautlos wieder davon abzustoßen.
    Wir nahmen die Nebenstraßen und hielten uns von der Hauptstraße fern. Ein Reiter begegnete uns, auf einem Schimmel, einem anmutigen, kalt blickenden, kostbar wirkenden Tier. Der Reiter trug eine teure Lederjacke mit Wolfspelzbesatz. Er warf Derek und mir einen prüfenden Blick zu und ritt dann eilends weiter, wobei er die Armbrust richtete, die er auf dem Rücken trug. Ich sah mich nach dem Schimmelreiter um, ob er ein Schild auf dem Rücken hatte, auf dem stand: » Ich bin reich, raubt mich aus! « Ich konnte aber keins entdecken. Vermutlich ging er davon aus, dass sein Pferd diese Botschaft genügend zum Ausdruck brachte.
    Vor uns hatten sich einige Kinder um ein Feuer geschart, das in einer Metalltonne brannte. Die Flammen loderten über den Rand der Tonne und erhellten ihre schmutzigen, grimmig blickenden Gesichter. Ein dürrer Junge in einem dreckigen Pullover und mit ein paar Federn im strohigen Haar rief irgendetwas dramatisch Klingendes und warf dann etwas, das wie eine tote Ratte aussah, in das Feuer. Heutzutage war jedermann ein Hexenmeister.
    Die Jungs sahen mich an, als ich vorüberritt. Einer von ihnen verwünschte mich mit saftigen Ausdrücken, hoffte wohl auf eine Reaktion.

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