Stadt der Lügen
der besten kalifornischen Weine«, schwärmte er mit dröhnender Stimme an den Stetson tragenden Mann neben ihm gewandt. »Du kannst es bei allen Weinkritikern nachlesen – zumindest bei denen, die sich wirklich auskennen. Ich sage dir, Duke, dieser Wein hat Weltklasse.«
»Glaube ich gern.«
»Ist hiermit an Mr Wayne verkauft. Sascha, bitte einen Korkenzieher.«
»Halt, stopp, ich habe nicht …«
»Vertrau mir. Du wirst mir den Rest deines Lebens dafür dankbar sein, dass ich dir diesen Wein gezeigt habe.« Er drehte sich zu dem Mann im Smoking um, der sie immer noch amüsiert beobachtete. »Habe ich Recht, Rick? Sag es ihm.«
»Absolut Recht, Orson«, bestätigte der Mann im weißen Smoking, drückte seine Zigarette aus und verzog den Mund zu einem knappen, schiefen Lächeln, bei dem er die Zähne zeigte.
»Aber ich trinke nie etwas anderes als Bourbon, verdammt«, protestierte der dicke Mann mit dem Cowboyhut.
Der Mann namens Orson grinste breit in seinen grauen Bart und zwinkerte frech mit den Augen. Er beugte sich vor und tätschelte seinem Nachbarn das umfängliche Knie. »Denk an deine Freunde«, sagte er.
Christopher lachte und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ich hielt ihn davon ab, es ein zweites Mal zu tun. »Das ist hier keine Show«, sagte ich. »Sieh genau hin, aber verhalte dich um Himmels willen nicht wie in einer Vorstellung. Das mögen sie nicht. Lehn dich zurück, und entspann dich – wir bestellen noch einen Drink.« Ich schnipste mit den Fingern und der Kellner kam. Sein rundes, rosiges Gesicht unter den schneeweißen Haaren war ein einziges Lächeln.
An einem Tisch auf der gegenüberliegenden Seite der Kneipe saß ein aufgedunsen wirkender Kerl mit Zwiebelnase, dessen Augen fast unter Speckfalten verschwanden. Er stupste seinen Kumpel an. »Hast du das gesehen?«, fragte er mit hoher, keuchender, etwas singender Stimme. »Orson hat gerade den Duke überlistet, eine Flasche von diesem Cabernet zu bestellen, den er am liebsten gleich literweise trinkt.«
Der breitschultrige Mann mit dunklem, glänzendem Haar und einem schmalen Schnurrbart folgte dem Blick des anderen. Amüsiert zog er eine Augenbraue hoch. Sein Lächeln enthüllte perfekte, perlweiße Zähne. »Mich hat der Mistkerl auch schon mal so reingelegt. Und das Zeug ist nicht billig.«
»Orson ist ein Zauberer«, keuchte der kleinere Mann und leerte sein Glas. »Ich habe ihm einmal bei einem Dinner gegenübergesessen und mit angesehen, wie er einer Frau neben sich eine haarsträubende Geschichte auftischte. Während sie ihm gebannt lauschte, klaute er ihr das Essen vom Teller, weil er seinen eigenen schon leer gegessen hatte. Sie hat absolut nichts davon bemerkt. Ich habe ja schon immer gesagt, er hätte für den Kongress kandidieren sollen.«
Sein Kumpel kicherte und zwinkerte dem Mann im Smoking an der Bar zu. Dann machte er sich beim Kellner bemerkbar, der uns soeben mit neuen Drinks versorgt hatte und rief ihm zu: »Für Mr Fields und mich das Gleiche noch mal.«
»Sofort, Mr Gable«, erwiderte der Kellner freundlich mit ungarischem Akzent.
»Na, das ist doch mal was«, sagte Christopher mehr zu sich selbst als zu mir. »Das ist doch wirklich mal eine absolut unglaublich tolle Sache.«
An der Ecke, wo sich der Eingang befand, entstand Bewegung. Eine schimmernde Blondine schwebte quer durch den Raum zu einem Tisch, an dem ein Mann auf sie wartete. Sein gefärbtes Haar war in der Mitte gescheitelt, und er trug eine Drahtbrille sowie einen gewichsten Schnurrbart. Tief in Gedanken stützte er das Kinn in die Hand und rauchte eine Zigarre. Sie schob einen Stuhl zurück, hielt aber inne, als der Mann sich nicht bewegte.
»Ich dachte immer, ein Gentleman steht auf, wenn eine Lady an den Tisch kommt«, sagte sie mit eher spielerisch als vorwurfsvoll klingender, atemloser Stimme.
Der Mann sah sie an und nahm die Zigarre aus dem Mund. »Ein Gentleman steht nur auf, wenn er mit seiner Frau nach Hause gehen will«, sagte er. »Setz dich, und bestell dir eine Sarsaparille. Garçon!« Er winkte dem Kellner und neigte sich seiner Begleiterin zu. Mit leiser Stimme raunte er ihr zu: »Siehst du den Kerl im weißen Smoking da drüben an der Bar? Er glaubt, er ist Humphrey Bogart als Rick in Casablanca.«
Die Blondine sah zur Bar hinüber und wandte ihren Blick dann wieder dem Zigarrenmann zu. »Ist er das nicht?«, fragte sie ein wenig überrascht.
»Glaubst du, dass er es ist?« Der Zigarrenmann dachte einen Augenblick
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