Stadt der Masken strava1
der ihm wochenlang durch die Stadt gefolgt war.
Am Morgen war der Mann zurückgekommen und hatte ihn aus dem Zimmer und die Stufen hinuntergeführt. Sie verließen das Haus und Lucien spürte die warme bellezzanische Sonne auf seinem Körper. Dann wurde die Augenbinde abgenommen und er sah, dass er in der Nähe der Piazza war. In tiefen Zügen sog er die milde Luft ein und nicht mal der leicht faulige Kanalgeruch machte ihm etwas aus.
»Tu, was ich sage«, flüsterte der Mann. »Denk daran, ich habe den Dolch. Geh jetzt ganz normal. Wir müssen in den Palast der Duchessa.«
»Aber das ist doch ganz unmöglich!«, sagte David Mulholland wütend. »Sie sagten doch, es sei nicht der Krebs, der das Koma ausgelöst hat.«
»Es ist in der Tat ungewöhnlich«, gab Mr Laski zu. »Aber da es jetzt schon so lange dauert, ist sein Zustand inzwischen äußerst kritisch geworden. Wie wir Ihnen ja schon leider sagen mussten, hat es den Anschein, dass Lucien einen Gehirnschaden erlitten hat. Ich muss wiederholen, dass es keinerlei Gehirnaktivität bei ihm mehr gibt. Und sein Organismus ist bereits überaus geschwächt. Die Geräte können ihn nicht unbegrenzt erhalten.«
»Sie sagen also, dass keine Hoffnung besteht? Dass nichts anders übrig bleibt, als bei ihm zu warten?«, fragte David Mulholland.
Der Arzt schwieg. Die beiden Eltern standen neben dem Körper ihres Sohnes und hielten sich bei den Händen.
»Man erhebe sich!«, sagte der Senatsschreiber und hunderte von Bellezzanern standen auf, während die Senatoren zu ihren Plätzen auf einem Podest kamen.
Auch die vorderste Reihe der Ratsherren war reserviert worden. Dort nahmen Arianna und Leonora Platz; Silvia hatte mitkommen wollen, doch gemeinsam hatte man sie überzeugt, dass es zu gefährlich sei. Dann ließen sich die zwölf Bellezzaner, die den Senat einberufen hatten, neben ihnen nieder. Es waren immer noch ein paar Plätze in der ersten Reihe frei, als Rodolfo die Sitzung für er
öffnet erklärte und sich alle wieder setzten.
»Wer hat diesen Senat einberufen?«, fragte Rodolfo förmlich und der Schreiber las die Namen der zwölf Bürger vor, die sich kurz erhoben und einer nach dem anderen den Hut zogen.
»Was ist euer Grund?«
Der erste Bürger, ein gewisser Giovanni Ricci, erhob sich erneut, hustete, scharrte mit den Füßen und brachte dann sein auswendig gelerntes Sprüchlein hervor.
»Bei allem angemessenen Respekt für die verstorbene Duchessa, die Göttin gebe ihr Frieden, und für ihre Tochter, die kürzlich statt ihrer gewählt wurde, würden wir gerne die Umstände um ihre Geburt beleuchten. Wir haben alle die Aussage der Hebamme, Signora Landini, vernommen, dass sie die Duchessa von einer Tochter entbunden hat. Aber heißt es nicht, dass die Duchessa von Bellezza ehelich geboren werden muss?«
Erleichtert, dass er seinen Auftrag erledigt hatte, setzte sich Ricci wieder. Ein Murmeln lief durch den Saal. Natürlich wollten die Bellezzaner ihre neue Duchessa nicht so schnell wieder verlieren, aber sie wollten dennoch, dass die Sache aufgeklärt wurde. Arianna bemerkte, dass Rinaldo di Chimici jetzt auf einen Sitz in der ersten Reihe geschlüpft war.
Rodolfo erhob sich, um zu dem Senat zu reden; er hatte ein Bündel Papiere in den Händen.
»Senatoren und Bürger von Bellezza«, begann er, »Signor Ricci hat Recht. Ich habe mich mit der Verfassung beschäftigt und dort gibt es eine Klausel, Nummer 67c, die verlangt, dass die Duchessa ehelich geboren sein muss, wie sie auch einen untadeligen Ruf haben und in gutem Ansehen bei ihren Mitbürgern stehen sollte.«
Das Murmeln im Publikum wurde lauter.
Rodolfo fuhr fort: »Wie Ihr jedoch auch erinnern werdet, ist es Teil der talianischen Rechtsprechung, dass eine später erfolgte Heirat den Spross der beiden Beteiligten legalisiert. Und nun halte ich hier ein Dokument in Händen, welches die Heirat der verstorbenen Duchessa – die Göttin gebe ihr nun wirklich endlich Frieden – mit dem Vater der neuen Duchessa, Arianna Gasparini, bestätigt.«
Das Gemurmel wurde zu einem lauten Summen und man konnte sehen, wie di Chimici Ricci eine Notiz zusteckte. Ricci erhob sich erneut und drehte seinen Hut nervös in den Händen.
»Senator«, begann er, »natürlich bin ich sehr froh das zu hören. Doch dürften wir erfahren, wer der Vater ist?«
»Selbstverständlich«, sagte Rodolfo. »Ihr und die anderen elf Bürger, die diese Senatssitzung einberufen haben, können das Ehedokument studieren, das
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