Stadt der Piraten
mit vereinten Kräften über diese Kuppe. Von dort geht es steil bergab, da rollt er dann von selbst.«
Es durchfuhr Yargh siedend heiß, als ihn von hinten kräftige Arme packten und anschoben.
»Siehst du, Alterchen, jetzt geht es gleich geschwinder«, hörte er Kend sagen.
»So eilig habe ich es gar nicht«, log Yargh mit verstellter Stimme. »Ihr meint es sicher sehr gut mit mir, ihr edlen Herren, aber.«
»Du verschmähst unsere Hilfe?« rief Rigon zornig aus.
»Was bist du doch für ein undankbarer Geselle!« stimmte Vaughen ein. Und Kend fügte mit gleichfalls gespielter Empörung hinzu: »Wenn das so ist, dann fahr zur Hölle!«
Sie hatten ihn bis zur Kuppe hinaufgeschoben und gaben ihm nun einen heftigen Stoß, so dass er die stark abfallende Straße hinunterrollte.
Yargh hielt sich verzweifelt an seinem Wägelchen fest, denn er war bereits so schnell, dass er mit den Händen nicht mehr abbremsen konnte. Schließlich kam es, wie es kommen musste .
Sein wackeliges Gefährt geriet mit einem Rad in ein Schlagloch, so dass die Achse brach. Yargh wurde heruntergeworfen und rollte in den Straßenstaub. Dabei streckte er unwillkürlich die Beine, so dass sie aus den Lumpen ragten, in denen er sie versteckt gehabt hatte.
»Was sehe ich!« rief Kend scheinbar überrascht aus. »Dieser Schlingel hat zwei gesunde Beine.«
»Aber, aber«, sagte Vaughen tadelnd, »was muss das für ein Frevler sein, der mit dem Entsetzen Scherze treibt?«
Yargh blieb im Straßenstaub liegen und ließ seiner Verzweiflung freien Lauf. Er war sich nun sicher, dass die drei ihm die ganze Zeit über gefolgt waren und sich über ihn amüsiert hatten. Yargh schluchzte hemmungslos.
»Freunde, was muss ich sehen!« rief Rigon aus, während er Yargh herumdrehte. »Ist das nicht der ungekrönte König der Falschspieler, der geheime Herrscher von Thormain?«
»In der Tat!« stellte Kend fest. Er machte eine übertriebene Verbeugung und kniete dann vor Yargh nieder. »Mein Herr und Gebieter, warum hast du dich uns nicht zu erkennen gegeben? Ein Wort von dir, und wir hätten dich in einer Sänfte durch das Jorgan-Tor getragen.«
Sie hoben ihn auf und klopften ihm besonders unsanft und schmerzhaft den Straßenstaub von den Kleidern, wobei sie weiterhin hämisch Verehrung für ihn heuchelten. Yargh ließ es ergeben mit sich geschehen, während ihm die Tränen übers Gesicht rannen.
»Mein Gebieter, ich wage es kaum vorzuschlagen, aber würdest du mir noch einmal eine Chance geben?« bat Kend. Er hatte bereits die Würfel hervorgeholt und schüttelte sie in den hohlen Händen. So fing es immer an. »Nachdem du mir schon all meine Habe im Glücksspiel abgenommen hast, wäre es nur recht und billig, mir noch ein einziges Mal Gelegenheit zu geben, mich mein Glück versuchen zu lassen. Was hast du nicht schon alles von mir gewonnen. Weißt du es noch?«
Yargh musste nun aufzählen, was Kend und die beiden anderen alles an ihn verloren und worüber sie ihm Schuldscheine ausgestellt hatten. Demnach gehörten bereits die Hälfte der einhundertundzwanzig im Hafen vor Anker liegenden Schiffe ihm und drei Viertel der Stadt mitsamt dem Nest, dem festungsähnlichen Schloss, in dem Argur von Solth residierte, der wahre Anführer der Piraten. Dazu kam noch, dass Yargh auf den Schuldscheinen als Herr und Gebieter der dreitausend in Thormain lebenden Menschen erschien.
Das besonders Grausame an diesem Spiel war jedoch, dass seine Peiniger stets darauf bestanden, dass er den fremden Besitz eintreiben musste, den sie an ihn verloren. Einmal hatte er das Nachtgewand von Argur von Solth »gewonnen« und es auch tatsächlich unter Einsatz seines Lebens beschaffen müssen.
Inzwischen war er so bekannt in Thormain, dass er als König des Glücksspiels galt und jedermann sich ungestraft üble Scherze mit ihm leisten konnte, wenn Kend, Vaughen und Rigon ihre Zustimmung gaben.
»Ich würde euch gerne eine Chance geben, aber um was könnt ihr denn noch spielen?« sagte Yargh unglücklich. »Besitzt einer von euch noch etwas, das er an mich verlieren könnte?«
Die drei Piraten sahen einander mit gespielter Ratlosigkeit an.
»Yargh hat recht«, stellte Kend fest. »Wir können nicht einmal mehr unsere Freiheit einsetzen, denn wir sind bereits seine Leibeigenen.«
Yargh begann neue Hoffnung zu schöpfen, dass er diesmal glimpflich davonkommen würde, denn auch Rigon und Vaughen wollte nichts einfallen, was sie ihm als Einsatz bieten konnten. Sie hatten bereits
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