Stadt der Sterne strava2
die Klospülung und kurz darauf kam Falco heraus. Die erste Hürde hatten sie genommen.
Zu seiner eigenen Verblüffung gelang es Lucien, etwas in einem Stuhl zu dösen.
Als er erwachte, war das Zimmer von Mondlicht überflutet und er hatte einen steifen Hals. Er stand auf, streckte sich und spähte auf das Bett. Falco lag wie im Schlaf, seine schwarzen Locken ringelten sich über das Kopfkissen. Von Georgia war keine Spur.
Lucien starrte den schlafenden Jungen an. Er sah absolut normal aus, doch der Stravagante wusste, dass er jemanden betrachtete, der nicht mehr da war. Er bekam schreckliches Heimweh.
»Was hast du heute vor, Georgia?«, fragte Maura. »Ich habe mir überlegt, ob du für deine Reise noch einkaufen musst?«
»Nein, vielen Dank, Mum«, erwiderte Georgia. »Ich hab schon alles, was ich brauche. Ich wollte heute ins Britische Museum.«
Von Russell kam ein verächtliches Schnauben. »Was meintest du eben, Russell?«, fragte Ralph. »Nichts; mir sind nur die Cornflakes in den falschen Hals gekommen«, erwiderte Russell scheinheilig. »Ist das für die Schule?«, fragte Maura. »Ja«, log Georgia. »Für Geschichte – Leben in der Antike. Ich wollte noch ein paar Aufzeichnungen machen, bevor ich wegfahre.«
»Streberin«, flüsterte Russell im Schutz der Geräusche des Tischabräumens.
Wenigstens bietet er nicht an mitzukommen, dachte Georgia, nicht mal, um mich zu ärgern. In ein Museum zu gehen kam für Russell nicht in Frage. Trotzdem, sie musste herausfinden, was er und ihre Eltern vorhatten. Falco aus dem Haus zu schmuggeln würde die schwierigste Aufgabe sein. Doch sie hatte Glück. Russell und Ralph hatten schon ihre Sportsachen an und wollten in ein Fitnessstudio.
Maura hatte vor sich in dem kleinen Zimmer zu vergraben, das sie und Ralph als Büro nutzten, um die Steuererklärung vorzubereiten.
»Das hab ich schon ewig vor mir hergeschoben«, sagte sie schuldbewusst.
Georgia wartete, bis die Männer gegangen waren, dann machte sie ihrer Mutter eine Tasse Kaffee und brachte sie ihr ins Büro. Maura saß mit zerzaustem Haar da und kaute auf dem Ende ihres Bleistifts, während sie auf den Taschenrechner einhackte.
»Ich geh gleich, Mum«, sagte Georgia. »Ich komm erst nach dem Essen zurück.«
Maura lächelte dankbar. »Danke für den Kaffee, Georgia. Komm, ich geb dir etwas Geld.« Sie nahm einen Zwanziger aus ihrem Geldbeutel. »Für dein Essen und die Fahrt«, sagte sie.
Georgia hatte das Gefühl, dass Maura eine ganze Weile nicht mehr aus dem Büro auftauchen würde, deshalb wagte sie es, Falco nach unten zu lotsen. Er war überraschend beweglich. Nach den großen, weiten Treppenhäusern in Santa Fina ließ er sich nicht von zwei Treppen in einem Londoner Reihenhaus unterkriegen.
Sie hatte ihm ihren Plan auseinander gesetzt: Sie wollten nach einem etruskischen Pferd suchen, das ihrem Talisman glich. Aber der Nebeneffekt sollte sein, Falco einen Vorgeschmack auf Londons Innenstadt zu geben. Und er rastete fast schon aus, bevor sie auch nur aus dem Gartentor waren. Zwei ganz normale Autos fuhren vorbei und er sprang erschrocken zurück. Georgias Versuche, Autos und Verkehr zu beschreiben, hielten der Wirklichkeit einfach nicht stand. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Was ihn jedoch überhaupt nicht beunruhigte, war das Fehlen seines Schattens. Das war ja schließlich erwartungsgemäß – war er doch jetzt ein Stravagante.
Es dauerte eine Ewigkeit, zur U-Bahn-Station zu gehen. Georgia hatte sich vergewissert, dass es eine Haltestelle mit Fahrstuhl war, damit Falco nicht Rolltreppe fahren musste, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass er so oft stehen bleiben musste, weil er Angst vor dem Verkehr hatte. Schließlich bugsierte sie ihn in ein Café. »Du musst ja sowieso etwas essen«, sagte sie. Sie bestellte Tee und Brote mit Ei. Falco, der beides nicht kannte, verschlang die Mahlzeit. Der Imbiss schien ihm gut zu tun. Der weitere Weg verlief einfacher, auch wenn Falco auf dem Bahnsteig zurückwich, als die U-Bahn ratternd einfuhr. Georgia stellte fest, wie bemerkenswert die normalen Gegebenheiten ihres Lebens waren, wenn man sie durch die Augen des sechzehnten Jahrhunderts sah. Beim Umsteigen am Leicester Square mussten sie Rolltreppe fahren, allerdings nur eine kurze, und das schaffte Falco ohne Probleme. Aber er war schon erschöpft, als sie in Goodge Street in den Aufzug stiegen – und von dort war es immer noch ein strammer Fußweg.
Als sie an der Ecke Gower Street
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