Stadt, Land, Kuss
bist du?« Ich grabe immer weiter, aber alles, was ich vor mir sehe, ist eine pulsierende Masse aus schwarzen Kreisen, die nach und nach miteinander verschmelzen. Und dann nichts mehr …
In der kühlen Nachtluft komme ich wieder zu mir. Ich kauere auf einem umgestürzten Baumstamm und atme durch eine Maske vor meinem Gesicht. Ich höre strömendes Wasser.
»Regnet es?«, frage ich leise.
»Das sind die Feuerwehrschläuche, Liebes.« Ein Mann hält eine silberne Decke um meine Schultern, während Blaulicht durch die Dunkelheit zuckt. Scheinwerfer sind auf die schwelenden Überreste des Hauses gerichtet, wo Feuerwehrmänner den Brand löschen. Hier und da lodern erneut Flammen aus dem Scheiterhaufen von Buttercross Cottage auf.
»Kommen Sie mit und legen Sie sich in den Krankenwagen. « Behutsam nimmt der Mann mir die Maske ab. »Ich bin Dave. Ich bin Sanitäter. Wie heißen Sie?«
»Maz. Maz Harwood.« Ich kann nicht aufhören zu zittern.
»Alles in Ordnung, Maz. Sie haben einen leichten Schock, aber das geht bald wieder vorbei.« Er verstärkt seinen Griff. »Gehen wir?«
»Ich kann hier nicht weg, ehe ich nicht weiß, was mit Alex ist. Wo ist er?«
»Sie meinen den Mann, der mit Ihnen im Haus war? Sie haben ihn rausgeholt«, antwortet Dave.
»Es geht ihm doch gut, oder?«, will ich wissen, und Panik erfasst mich, als ich das Blaulicht eines Krankenwagens in der Ferne verschwinden sehe.
»Jetzt kümmern wir uns erst einmal um Sie, einverstanden? «, schlägt Dave in einem Ton vor, der darauf hindeutet, dass er mir etwas verschweigt – zumindest kommt es mir in meinem verwirrten Zustand so vor.
»Alex!« Meine Stimme gellt in meinen Ohren, ich bekomme kaum noch Luft, und Dave kann mich nur mit Mühe davon abhalten, hinter dem Krankenwagen herzurennen.
»So, das ist besser«, sagt er, nachdem ich mich wieder ein wenig beruhigt habe.
»Was ist mit Gloria, der Frau, die hier wohnt? Ich betreue ihre Tiere.«
»Sie haben sie noch nicht gefunden. Kommen Sie, entspannen Sie sich …«
Er führt mich zu einem wartenden Krankenwagen. »Kenne ich Sie nicht von irgendwoher?«, fragt er auf dem Weg dorthin. »Jetzt fällt es mir wieder ein. Das Baby, das wir im Otter House zur Welt gebracht haben. Sie sind die Tierärztin.«
Ich nicke. Ich bin die Tierärztin, denke ich verzweifelt. Wenn ich schon nichts für Alex tun kann, sollte ich wenigstens helfen, die Tiere in Sicherheit zu bringen.
»Hat das Feuer auf das Katzenhaus übergegriffen?«, frage ich. »Das ist das Gebäude direkt hinter dem Cottage. «
»Soweit ich weiß, ist das Feuer unter Kontrolle, aber darüber sollten Sie sich jetzt keine Gedanken machen.«
»Hier auf dem Grundstück befinden sich mindestens fünfzig Katzen und Hunde – wer könnte sich besser um sie kümmern als ich.« Hustend versuche ich die Decke abzuwerfen. »Flicken Sie mich wieder zusammen und lassen Sie mich gehen. Bitte.«
Dave legt nachdenklich den Kopf auf die Seite. »Na gut, aber auf Ihre eigene Verantwortung.« Er besteht darauf, meine Arme zu verbinden, während ich Izzy anrufe, damit sie mir meinen Arztkoffer, Katzenboxen, Halsbänder, Leinen und alles andere bringt, was sie finden kann.
»Ich bringe Chris auch gleich mit«, meint sie, nachdem ich ihr in wenigen Worten geschildert habe, was hier los ist. Dann bricht die Verbindung ab, und ich sitze da wie ein Idiot und halte das Handy weiter ans Ohr, bis Dave es mir aus der Hand nimmt und vorsichtig meinen rechten Arm streckt, damit er ihn, genau wie den linken, verbinden kann. Bei dieser Bewegung schießt ein stechender Schmerz von meinen Fingerspitzen bis hinauf in mein Gehirn. Es fühlt sich an, als hätten alle Nervenenden dazwischen Feuer gefangen. Unwillkürlich keuche ich vor Schmerz.
»Sie gehören wirklich ins Krankenhaus«, sagt Dave mit fester Stimme.
»Nein«, erwidere ich wütend. »Es geht mir gut. Lassen Sie nur meine Finger frei, sonst bin ich zu nichts zu gebrauchen. Beeilen Sie sich, bitte.«
»Welche Note würden Sie mir für meinen Verband geben, Frau Doktor? Auf einer Skala von eins bis zehn.« Dave drückt die letzte Runde der selbsthaftenden Binde auf der darunterliegenden Schicht fest. Ich zucke zusammen.
»Zehneinhalb«, antworte ich. Mit schier übermenschlicher Anstrengung verdränge ich den Schmerz in den hintersten Winkel meines Bewusstseins und springe aus dem Krankenwagen. »Danke, aber ich muss jetzt wirklich gehen …« Unsicher, wohin ich mich wenden soll, stolpere ich hinaus in
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