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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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neun Uhr morgens ist die Station des Otter House voll belegt – ich muss an Wahnvorstellungen leiden. Das Licht ist zu grell, und das Klirren der Käfigtüren hallt zu laut, während Izzy in Praxiskleidung und Clogs herumwuselt, die Patienten mit Futter und Wasser versorgt, Infusionen kontrolliert und verschmutzte Unterlagen und Katzenstreu auswechselt. Petra und Ugli-dog sitzen in den beiden großen Hundezwingern, die anderen fünf Hunde, die wir mitgebracht haben, sind in den übrigen Hundekäfigen untergebracht. Außerdem haben wir noch elf Katzen, in jedem Katzenkäfig eine, zwei teilen sich den Isolierkäfig unter der Treppe, und eine weitere sitzt in dem Käfig, den die Praxis an Tierhalter ausleiht, damit sie ihre Katze nach einer größeren Operation zu Hause einschließen können.
    Sogar Nigel ist da und macht sich ausnahmsweise die Finger schmutzig. Er ist gegen sechs Uhr gekommen, weil er hoffte, den Gerichtsvollzieher abfangen zu können, er wusste ja nicht, dass ich gestern von meinem eigenen Geld die ausstehenden Raten für den Wagen und das Röntgengerät bezahlt habe. Ich hätte es ihm sagen sollen, aber in Anbetracht dessen, was in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert ist, ist es wohl kein Wunder, dass ich nicht mehr daran gedacht habe.
    Ich untersuche den schwächsten Hund, einen süßen kleinen Mischling mit langem Körper, kurzen Beinen und eingedrehtem Schwanz. Izzy hat ihn Raffles getauft. Wir haben seinen Käfig mit Hilfe einer Plastikfolie in ein Sauerstoffzelt verwandelt. Er atmet schwer und hat die großen braunen Augen vor Angst weit aufgerissen, als bekäme er keine Luft. Er ist erschreckend dünn, sein Rückgrat ist schwarz von Flohkot, und sein lockiges goldbraunes Fell wimmelt von Läusen, doch um diese Probleme kann ich mich erst kümmern, wenn sich sein Zustand stabilisiert hat und ich einschätzen kann, wie stark der Rauch seine Lungen geschädigt hat.
    Ich strecke die Hand durch die Käfigstäbe und prüfe die Farbe seines Zahnfleischs – es ist nach wie vor erschreckend blau. Was für eine Schande – er ist noch ein Welpe, höchstens achtzehn Monate alt.
    »Maz.« Izzy tippt mir auf die Schulter. »Können Sie Raffles kurz allein lassen und mir beim Verbinden des Silbertabby-Katers helfen?«
    »Natürlich.« Ich zwinge mich durchzuhalten – um der Tiere willen. Ich setze mich auf einen Hocker neben dem Tisch im Vorbereitungsraum und halte den Kater fest. Izzy verbindet eine große, aber nicht tiefe Wunde an seinem Rücken und legt ihm anschließend einen hellen Plastikkragen um, ehe sie ihn zu seinem Käfig zurückbringt. Dann füllt sie die Patientenkarte an der Käfigvorderseite aus – kein Name, nur eine Nummer: sieben – und kommt zu mir zurück.
    »Sie nässen«, bemerkt sie.
    Ich frage mich, was sie meint, denn ich verbinde nässen immer mit Inkontinenz.
    »Ihr Verband – ich kann ihn wechseln, wenn Sie wollen. «
    »Das mache ich schon selbst.« Ich schaue auf meine Arme hinunter. Langsam kehrt das Gefühl in sie zurück, ein ständiges Brennen, als hielte sie jemand unter einen Strahl kochendes Wasser. Meine Finger, die nur leicht angesengt wurden, schwellen an und beginnen zu pochen, und die beiden Verbände sind völlig durchnässt und mit rotbraunen Flecken gesprenkelt, wie wenn ich sie ins Wasser des Taly getaucht hätte. »Später.«
    »Maz, das können Sie unmöglich selbst machen. Lassen Sie mich mal sehen.«
    Ich beiße mir auf die Lippen, als Izzy die Verbände an meinen Unterarmen abschält und darunter nässende Striemen und Schnitte zum Vorschein kommen, die genauso schlimm aussehen, wie sie sich anfühlen.
    »Damit müssen Sie ins Krankenhaus«, sagt sie.
    »Das geht schon.« Ich verziehe das Gesicht. »Es ist ja nicht entzündet.«
    »Sie sind die Ärztin.« Izzy zuckt mit den Schultern. Wahrscheinlich glaubt sie mir nicht. Sie holt frisches Verbandszeug – selbsthaftende blaue Bandagen mit Pfotenaufdruck. »Wir müssen Nachschub bestellen, es ist fast kein Vetrap mehr da.«
    »Ich rufe gleich den Großhändler an«, antworte ich. »Sie haben meine Kreditkartennummer.«
    »Ihnen ist schon klar, dass Sie eigentlich nicht hier sein sollten?«, fragt Izzy.
    »Um ein Haar wäre ich das auch nicht.« Erinnerungen an das Feuer kriechen in meinen Kopf wie winzige Flammen. Sie lodern auf und umzingeln mich, die Hitze versengt meine Lungen, der Rauch drückt meinen Brustkorb zusammen wie zwei Arme. Alex’ Hände an meiner Taille, die Panik in seiner

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