Stadt, Land, Kuss
schläft und all diese Erinnerungen auslöscht, damit wir mit eigenen, glücklicheren Erinnerungen wieder ganz von vorn anfangen können.
Ich öffne die Knöpfe an meiner Bluse, während seine Finger an meinem Kiefer entlangstreichen, dann weiter meinen Hals hinunter und über mein Schlüsselbein, ehe sie plötzlich innehalten.
»Was ist los?«, frage ich. Er sieht über meine Schulter und die Rückenlehne des Sofas, und als ich mich umdrehe, fällt mein Blick auf das Regal an der Wand hinter uns. Zwei Kinder – Alex’ Kinder – schauen von silbergerahmten Fotografien zurück: Lucie sitzt, übers ganze Gesicht lachend, auf einem Shetlandpony und trägt eine Reitkappe, die viel zu groß für sie zu sein scheint, während sich der lockenköpfige Sebastian an einen großen alten schwarzen Labrador kuschelt. Ich drehe mich wieder zu Alex um und sehe, wie sich seine Pupillen verengen, als er zurückweicht und meine Knöpfe genauso schnell wieder schließt, wie ich sie öffne.
»Nein«, sagt er und verschränkt seine Finger mit den meinen, »hör auf, Maz, das ist nicht richtig.«
Ich verstehe ihn nicht. »Für mich fühlt es sich richtig an …« Verwirrt und frustriert versuche ich ihn wieder an mich zu ziehen, doch es scheint, als hätte er eine Tür geschlossen und seine Gefühle dahinter eingesperrt. »Alex, ich …«
»Sag es bitte nicht«, unterbricht er mich und legt die Finger auf meine Lippen. »Mach es nicht noch schwerer, als es ist.« Er reißt sich von mir los und setzt sich neben mich, ohne mich zu berühren. Ich greife nach einem Kissen und drücke es an meine Brust, um das klaffende Loch zuzudecken, diesen glühenden Schmerz, der sich anfühlt, wie wenn er mir das Herz herausgerissen hätte. Ich liebe ihn, aber er liebt mich nicht.
»Ich weiß, wie du dich fühlst, Maz«, setzt er unbeholfen an.
»Nein, das weißt du nicht«, erwidere ich brüsk.
»Ich glaube schon …«
»Lass gut sein.« Ich stehe auf. »Es war mein Fehler. Ich habe zu viel hineininterpretiert in … was auch immer da zwischen uns war.«
»Bleib sitzen«, sagt er mit fester Stimme.
Etwas in seinem Ton bringt mich dazu, mich zurück aufs Sofa sinken zu lassen, doch ich schiebe das Kissen zwischen uns wie eine Mauer.
»Ich mag dich, Maz. Ich mag dich sogar sehr, aber trotz meines Rufs – der noch aus meiner wilden Jugend stammt, als kein Mädchen vor mir und Stewart sicher war – sind One-Night-Stands nicht meine Sache. Meiner Erfahrung nach wird dabei immer jemand verletzt.« Seine Stimme wird leiser, während er sanft hinzufügt: »Und ich ertrage die Vorstellung nicht, dich zu verletzen. «
Du hast mich schon verletzt, indem du mich zurückgewiesen hast, denke ich, aber seine Augen blicken zärtlich, als er weiterspricht: »Wir würden uns viel zu nahe kommen.«
»Ach, Alex …« Sein Name bleibt mir in der Kehle stecken, denn er streckt die Hand aus und streichelt meine Finger. Er hat recht. Es gibt so viele Gründe, warum wir es bei unserer Freundschaft belassen sollten.
»Ich wünschte, du würdest in Talyton bleiben«, sagt er, und beinahe hätte ich geantwortet: »Ich auch …« Das muss der schlimmste Tag in meinem Leben sein. Ich habe mich in diesen Mann verliebt, und trotzdem gehe ich einfach weg. Und warum?
Ich weiß, warum. Ich könnte in Talyton niemals glücklich werden. Ich würde mich hier nie zu Hause fühlen. Ich habe Cadburys Operation vermasselt, und das wird man mir ewig nachtragen.
Die Pferde beginnen zu wiehern und gegen die Boxentüren zu treten, als ein Wagen knirschend auf den kiesbedeckten Hof fährt und neben meinem Auto anhält.
»Das sind meine Eltern«, seufzt Alex.
»Dann sollte ich lieber gehen.« Ich stehe wieder auf. Alex hält meine Hand fest.
»Bitte geh nicht zurück nach London, ohne dich zu verabschieden, versprichst du mir das?« Seine Stimme klingt gepresst, als koste es ihn alle Mühe zu sprechen. »Versprich es mir, Maz.«
»Versprochen«, entgegne ich und reiße mich von seinem glühenden Blick und seinem Griff los. Leise murmele ich »Leb wohl, Alex«, damit ich mein Versprechen nicht zu brechen brauche und er mir das Herz nicht noch einmal brechen kann.
Als ich die Tür zur Praxis öffne, kommt mir Tripod auf seinen drei Beinen entgegengewackelt. Mit angewinkeltem Schwanz, um das Gleichgewicht zu halten, begleitet er mich die Treppe hoch und springt aufs Bett. »Verschwinde«, schimpfe ich liebevoll, aber er beachtet mich gar nicht.
Ich lasse mich auf die Bettkante
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