Stadt, Land, Kuss
hin. Emma hat mir erzählt, Izzy sei sehr offen und direkt. Da sollte es mich doch nicht wundern, dass sie auch mit Izzy über mich gesprochen hat. Und die Bemerkung über meine Golden-Retriever-Haarfarbe war eigentlich sogar ganz witzig.
Während Izzy den Impfstoffvorrat im Kühlschrank auffüllt, setze ich mich wieder an den Computer, und der Bildschirm erwacht zum Leben:
Cadbury. Schokoladenbrauner Labrador. 21 Wochen alt. Männlich. Unkastriert. Impfstatus? Halter: Mrs L. Pitt, Barton Farm ***
»Haben Sie eine Ahnung, was diese drei Sternchen zu bedeuten haben, Izzy?«, frage ich.
Sie schaut mir über die Schulter. »Das muss irgendein interner Code sein. In der Praxis, in der ich meine Ausbildung gemacht habe, benutzten wir so etwas ständig. Mein Favorit war TDK.«
»Was heißt das?«
»Total durchgeknallt.« Izzy grinst. »Außerdem gab es noch SK – Sofortkasse –, denn sonst bekommt man nie sein Geld. Ich hole Frances, sie weiß sicher, was das bedeutet.«
Als Frances ins Sprechzimmer kommt, schlägt sie die Tür hinter sich zu und lehnt sich mit dem Rücken dagegen.
»Mein Gott, ich wünschte, der alte Mr Fox-Gifford wäre hier.« Ihr Lippenstift ist in die feinen Fältchen um ihren Mund zerlaufen. »Ein Blick von ihm brachte das ungezogenste Kind zum Schweigen.«
»Was ist denn los?«, fragt Izzy.
»Eines von Lynseys Kindern isst gerade eine Gratispackung Kaninchenfutter, als wären es Chips, und ein anderes kritzelt auf den Nachrichten am Schwarzen Brett herum. Ich habe ihnen allen mit dem Stillen Stuhl gedroht, doch sie hören einfach nicht auf mich.« Frances hält inne, wie wenn sie von Izzy oder mir erwarten würde, nach draußen zu gehen und die Angelegenheit zu regeln.
»Ich kann nicht mit Kindern umgehen«, wehrt Izzy hastig ab.
»Das übernehme ich«, sage ich. »Aber zuerst brauche ich noch Ihre Hilfe, Frances. Haben diese Sternchen eine besondere Bedeutung, oder ist da nur jemandem die Maus verrutscht?«
»Alex Fox-Gifford sagt, das sei ein allgemein üblicher Code, jeder Tierarzt würde das im Studium lernen.« Ihre Stimme klingt plötzlich ein wenig höher, als zweifelte sie meine Qualifikation an. »Die Zahl der Sternchen entspricht der Skala ›dieses Jahr, nächstes Jahr, irgendwann, nie‹.«
Izzy und ich sehen sie verständnislos an.
»Es bedeutet, dass man das Honorar sofort kassieren soll. Die Pitts lassen sich beim Begleichen ihrer Rechnungen immer ziemlich viel Zeit.« Frances starrt mich an. »Und bevor Sie fragen, Maz, ich habe überprüft, dass der Welpe kein Patient von Talyton Manor ist.« Sie wirft einen Blick auf die Tür. »Ich schicke sie lieber gleich rein, ehe sie noch den ganzen Eingangsbereich auseinandernehmen. «
»Na dann los«, antworte ich, und kurz darauf strömen insgesamt sechs kleine Jungen, darunter in einem Buggy festgeschnallte Zwillinge, zusammen mit ihrer Mutter ins Sprechzimmer. Mrs Pitt hat einen schulterlangen, rötlich blonden Bob und eine Sonnenbrille im Haar. Ich habe offensichtlich eine erfahrene Multitaskerin vor mir, die mit der einen Hand den Buggy schiebt, während sie mit der anderen einen kleinen Welpen an ihre Brust drückt – einen schokoladenfarbenen Labrador mit braunen Augen, dessen Haut am Bauch Falten wirft.
»Ich bin Lynsey. Ich habe vor einer Weile schon mal wegen Würmern angerufen.« Sie setzt den Welpen auf den Tisch, wo er auf seinen überdimensionalen Pfoten herumtapst und nicht nur mit dem Schwanz, sondern mit dem ganzen Körper wedelt. Er ist einfach entzückend.
»Wir hatten auch mal Würmer«, erklärt der älteste der Jungen, der ungefähr acht Jahre alt sein muss.
»Danke für die Information, Sam.« Lynseys Jacke ist von Puffa, ihre Jeans aus der Schwangerschaftslinie von Next, und die Gummistiefel stammen von Overdown Farmers, dem örtlichen Großhändler für Landwirtschaftsbedarf. »Jungs, seid bitte brav«, sagt sie und sieht etwas angespannt aus, als zwei ihrer Söhne unter den Tisch kriechen, einer den Inhalt des Kühlschranks zu inspizieren beginnt und Sam Cadbury liebevoll auf den Kopf patscht. Ich drehe mich zu dem Jungen um, der gerade die Schachteln mit Impfstoff aus dem Kühlschrank holt. Er erinnert mich an meinen Bruder, der mit vier Jahren Eier aus dem Kühlschrank nahm und sie nacheinander auf den Boden fallen ließ, während meine Mutter bei der Arbeit war und ich auf ihn aufpassen sollte.
»Würdest du bitte damit aufhören«, fordere ich ihn in dem Ton auf, den ich mir bei der
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