Stadt, Land, Kuss
recht, im Moment läuft es wirklich ein bisschen schleppend«, räumt sie ein. »Oben im Talyton Manor haben sie einen Rabatt auf Microchip-Kennzeichnungen eingeführt. Außerdem bieten sie seit Neuestem einen Impferlass an, das heißt, Leute, die die Wiederholungsimpfungen für ihre Tiere verpasst haben, können die Kur von Neuem starten, und die Grundimmunisierung kostet sie nicht mehr als eine Auffrischung. Viele meiner Kunden sind deswegen zu ihnen gewechselt, aber ich vermute, einige davon werden schon wieder zurückkommen. « Dann wechselt sie unvermittelt das Thema. »Wie kommst du mit Frances zurecht?«
»Bestens«, antworte ich unverbindlich, doch ich spüre, dass Emma mir nicht glaubt.
»Vielleicht hätte ich die Suche nach einer neuen Sprechstundenhilfe eher wie einen Pferdekauf angehen sollen«, sagt sie und seufzt. »Ich wünschte, ich hätte wenigstens ihr Gebiss geprüft.«
»Hast du eigentlich vor, mich die ganzen sechs Monate über zu kontrollieren?«, frage ich lächelnd. »Du bist im Urlaub.«
»Ich wusste nicht, dass es mir so schwerfallen würde loszulassen«, gibt Emma zu.
»Was hältst du von einem Deal? Du rufst mich nicht mehr an und genießt deine Ferien.« Emmas Schweigen verrät mir, dass sie nicht überzeugt ist. Es muss schwer für sie sein. Sie hat so viel ins Otter House investiert – Zeit, Energie, Geld und Liebe. »Und ich verspreche dir, dich anzurufen, wenn es einen Notfall gibt – und mit Notfall meine ich Feuer oder Überschwemmung.«
»Ich weiß nicht …«
»Doch, du weißt, Em. Ich wünsche euch eine wunderschöne Reise. Grüß Ben von mir. Und mach dir keine Sorgen ums Otter House.« Das übernehme ich schon, ergänze ich stumm. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich um alles kümmern werde. Vertrau mir«, füge ich hinzu, »ich bin schließlich Tierärztin.«
Katzenbabys
Ich bin immer etwas nervös, wenn ich Notdienst habe, denn man weiß nie, wann ein Notruf kommt und was einen dann erwartet. In meiner Zeit bei Crossways habe ich schon alles erlebt, von einem verlassenen Stadtfuchswelpen bis hin zu einem todkranken Seidenäffchen. Ich habe auch schon einen Welpen behandelt, der seinem Besitzer ein paar Joints geklaut hatte, und eine Katze, die mit einem Luftgewehr angeschossen worden war. Emma sagt allerdings, hier in Talyton St. George sei es meistens ruhig. Nach neun Uhr abends passiert hier kaum noch etwas.
Ich mache es mir vor dem Fernseher gemütlich, um die Nachrichten zu sehen, aber nicht einmal zehn Minuten später klingelt das Telefon. Ich nehme den Hörer ab.
»Hallo?« Es dauert einen Moment, ehe mir wieder einfällt, wo ich gerade bin. »Tierarztpraxis Otter House.«
»Emma?«
»Nein, hier ist Maz, Maz Harwood. Ich bin Emmas Vertreterin.«
»Hier ist Cheryl. Sie haben vor ein paar Wochen bei mir im Copper Kettle Scones gegessen. Ach, ist nicht so wichtig. Eine meiner Zuchtkatzen bekommt gerade Junge. Sie hat furchtbare Schmerzen und braucht dringend Hilfe. Alex, mein Tierarzt, ist nicht zu erreichen. Ich habe schon ein paar Mal angerufen und bin zum Herrenhaus hochgefahren. Die Hunde sind da, doch es brennt kein Licht.«
Ich erinnere mich an Emmas Warnung, auf gar keinen Fall den Tierärzten vom Talyton Manor ins Gehege zu kommen, aber dann verscheuche ich den Gedanken. Hier geht es um das Wohl eines Tieres, das hat nichts mit unlauterem Wettbewerb zu tun.
»Dann bringen Sie sie am besten gleich vorbei.«
»Sie sind ein Engel. Ich bin in fünf Minuten da.«
Ich rufe Izzy an und sage ihr Bescheid, dass eine hochträchtige Katze auf dem Weg in die Praxis ist, dann ziehe ich Jeans und ein schäbiges T-Shirt an (ich muss beim Einzug auf dem Weg vom Wagen in die Wohnung einen Teil meiner Klamotten verloren haben), sperre Miff ein und gehe nach unten. Plötzlich höre ich Geräusche am Empfang. Ich zögere kurz, dann öffne ich die Tür.
»Wer ist da?«, rufe ich schroff.
»Ich bin’s, Nigel.« Ein Mann mit sauber gestutztem, rotblondem Schnurrbart in Weste und mit Fliege hebt den Kopf vom Innenleben des Computers an der Anmeldung. »Sie müssen Maz sein.« Er lächelt. »Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe. Ich habe einen Schlüssel.«
»Es wäre mir lieber gewesen, wenn Sie mir Bescheid gesagt hätten, dass Sie da sind.« Ich mag die Vorstellung nicht, dass Fremde durchs Haus schleichen, während ich oben bin. So viel also zu Miffs Qualitäten als Wachhund. »Glauben Sie, dass Sie den Computer bis morgen früh wieder reparieren
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