Stadt, Land, Kuss
auf die Gülle, die am Außenputz klebt und die schöne Fassade verunstaltet. Ich bin froh, dass Emma nicht da ist – dieser Anblick würde ihr das Herz brechen.
Ich gehe zurück ins Haus.
Frances steht mit schmerzlich verzogener Miene und einem Lufterfrischer in jeder Hand am Empfang. Es riecht nach Gülle und Zitronensorbet, und ich bin dankbar, dass ich eine Ausrede habe, in den hinteren Bereich der Praxis zu fliehen, wo der Geruch von Tierfutter und Desinfektionsmittel überwiegt.
Ich untersuche den Patienten für die heutige Operation, ein Termin, den Emma noch vor ihrer Abreise vereinbart hat. Es ist die einzige Operation an diesem Tag, und das ist ziemlich frustrierend, wenn man es wie ich gewohnt ist, sieben bis acht Eingriffe pro Tag durchzuführen. Die Patientin ist eine Dackelhündin namens Poppy: Biopsie und Exzision. Ich verabreiche ihr ein sedierendes Mittel, gebe ihr einen Kuss und setze sie zurück in ihren Käfig. Eine halbe Stunde später stehe ich im OP-Raum und operiere, während Izzy die Narkose überwacht. Friedliche Stille senkt sich auf uns herab, während ich mich darauf konzentriere, die Geschwulst aus Poppys Seite zu schneiden (Stille ist natürlich relativ, wenn neben einem das Radio dudelt und im Hintergrund das Telefon klingelt.).
»Meine Güte, ist das riesig«, bemerkt Izzy. »Da müssen Sie ja eher den Hund um den Knoten entfernen als andersherum. Das ist ein Lipom, nicht wahr?«
»Ja, vollkommen gutartig.« Ich nehme eine Nadel, in die der Faden bereits eingefädelt ist, und einen Nadelhalter und beginne, Poppys Wunde zuzunähen.
»Das ist ja wunderbar – ihr Besitzer hatte solche Angst, es könnte etwas Schlimmes sein.« Izzy lässt einen frischen Schub Tupfer auf das Instrumententablett fallen und dreht sich zur Tür um, als sie knappe, präzise metallische Schritte hört.
»Nigel«, sagt sie, als dieser in der Türöffnung auftaucht. Er spielt nervös an einer braunen Fliege mit cremefarbenen Tupfen herum, deren Farbe mich an kranke Leber erinnert. »Trag mir ja keine Gülle auf meine sauberen Böden.«
Nigels Antwort geht in einem scharfen Spritzgeräusch unter, begleitet vom dumpfen Plopp-plopp-plopp herabfallenden Mauerwerks.
»Was zum …?« Der Abfalleimer neben meinen Füßen klappert. Es hört sich an, wie wenn Talyton von einem Erdbeben heimgesucht werde.
»Das ist Chris, mein Vermieter«, erklärt Nigel, als das Geräusch allmählich leiser wird. »Er hat einen Wassertank und ein paar Schläuche mitgebracht. Jemand muss sich dringend um den Putz kümmern. Ich sage ihm, er soll etwas Druck wegnehmen.« Er schlägt die Hacken zusammen und geht wieder hinaus, gerade als eine billige, fröhliche Melodie im Radio die Verkehrsnachrichten einleitet. Der Sprecher meldet erhebliche Verzögerungen in Talyton St. George, wo die Fore Street aufgrund eines Vorfalls gesperrt ist. Es heißt, die Sperrung werde wahrscheinlich auch noch für den Rest des Tages aufrechterhalten.
»Das sind wir«, meint Izzy. »Ich schaffe das hier jetzt auch allein, wenn Sie nach vorne gehen und nachsehen wollen, was da los ist.«
Ich schneide die Fäden des letzten Stichs ab. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich will.«
»Werden Sie sich mit Emma in Verbindung setzen?«
»Ich habe ihr gesagt, ich würde sie nur im Notfall anrufen, das heißt bei Feuer oder Überschwemmung.« Nervös lausche ich, wie draußen literweise Wasser in die Kanalisation rauscht. »Das hier zählt doch noch nicht als Überschwemmung, oder?«
Habe ich tatsächlich jemals behauptet, Emma sechs Monate in ihrer Praxis zu vertreten, sei ein Kinderspiel?
Der gesellschaftliche Höhepunkt des Jahres
Ein freier Tag in London? Jederzeit! In der Stadt bleibt man anonym und kann anständige Absätze tragen. Ich fühle mich verletzlich und ziemlich fehl am Platz, als ich mich in meinem schicken roten Coupé in die Schlange der Geländewagen und Pferdetransporter einreihe, die sich aus Talyton heraus in Richtung Landwirtschaftsschau stauen.
PC Phillips leitet, mit einem neonfarbenen Leibchen bekleidet, die Autoschlangen auf das Gelände. Der Land Rover vor mir schießt an ihm vorbei, und ein Schwall Matsch spritzt gegen meine Windschutzscheibe. Ich lasse das Seitenfenster herunter.
»Hallo. Haben Sie sich die Überwachungsbänder schon angesehen?«
»Ich hatte gehofft, Sie hier zu sehen«, sagt er in einem Ton, der genau das Gegenteil ausdrückt. »Die Kameras funktionieren nicht – aber das ist ja jetzt
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