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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Woodman
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Regal hervorzulocken. Endlich flitzt er heraus, um in Richtung des fest verschlossenen Fensters zu fliehen. Ich werfe mich auf ihn, wickle ihn ins Handtuch und trage das fauchende, sich windende Bündel ins Sprechzimmer.
    Izzy folgt mir und Gloria und schließt die Tür hinter sich.
    »Mein Ginge könnte ein bisschen Fleisch auf den Rippen vertragen«, bemerkt Gloria.
    Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Als Supermodel würde Ginge in Größe zweiunddreißig passen, eigentlich genau wie Gloria, fällt mir auf. Er ist so mager, dass ich das Herz in seiner Brust schlagen sehe, als er zusammengekauert auf dem Behandlungstisch sitzt wie ein missgelaunter Stegosaurus. Trotzdem hat er etwas Anrührendes. Er ist lebhaft, intelligent und unabhängig, und obwohl sich Gloria angeblich um ihn kümmert, sieht er aus, wie wenn er dringend ein paar Streicheleinheiten gebrauchen könnte.
    »Ich verstehe das gar nicht«, sagt Gloria. »Er frisst wie ein Scheunendrescher.«
    Es dauert nicht lange, bis ich herausgefunden habe, was Ginge fehlt: Er leidet an einer Schilddrüsenüberfunktion. Sein Stoffwechsel läuft auf Hochtouren, deshalb ist er auch so aufgedreht und wild. Ich erkläre Gloria, welche Tests ich noch durchführen muss, ehe ich weiß, welche Behandlung für ihn am besten geeignet ist: Tabletten, die die Konzentration der Schilddrüsenhormone in seinem Blut reduzieren, eine Operation oder doch eher eine Bestrahlung in einer Spezialklinik.
    »Das klingt alles so furchtbar teuer.« Gloria spielt mit dem Bernsteinanhänger an ihrem Hals herum, und ihre knotigen, mit Altersflecken übersäten Finger sehen aus wie dürre Zweige. Ich bemerke, dass ein Insekt in dem Bernstein eingeschlossen ist, ein prähistorischer Käfer, was mir eine etwas merkwürdige Wahl für ein Schmuckstück zu sein scheint. »Was wäre, wenn ich der Natur einfach ihren Lauf ließe?«
    »Dann würde er sterben.«
    »Sie sind sehr direkt, junge Frau.« Gloria beißt sich nervös auf die Lippen. »Emma hatte das niemals so ausgedrückt. Ich denke, ich warte lieber, bis sie wieder zurück ist, und rede mit ihr. Ich kenne Emma, seit sie ein Baby war. Sie wird mir sagen, wie es um ihn steht.«
    »Ich habe mit Emma zusammen studiert. Wir haben beide exakt das Gleiche gelernt.« Ich habe auch meinen Stolz. »Sie wird Ihnen auch nichts anderes sagen können als ich, und wenn Ginge nicht bald behandelt wird, ist er vermutlich längst tot, ehe Emma zurückkommt.«
    »Dann weiß ich jetzt wirklich nicht, was ich tun soll.«
    »Interessiert es Sie überhaupt, wie es Ginge dabei geht?« Ich verliere allmählich die Geduld mit ihr. Gloria ist hergekommen, weil sie meinen Rat wollte, und jetzt nimmt sie ihn nicht an. »Wenn Sie nicht willens oder in der Lage sind, sich richtig um ihn zu kümmern, wäre es vielleicht besser, ihn gleich einzuschläfern, dann braucht er wenigstens nicht zu leiden …«
    »Oh nein, das kann ich doch nicht …« Glorias eisige Miene beginnt aufzutauen, und eine Träne rinnt über ihre gepuderte Wange. »Wie viel würden die Untersuchungen, von denen Sie gerade sprachen, denn kosten?«
    Meine Meinung über sie bessert sich ein wenig. Sie ist doch nicht vollkommen herzlos. Ich vermute, ihr Widerwillen, einen Termin auszumachen, ihre abweisende Haltung und auch ihr Wunsch, Ginges Behandlung hinauszuzögern, haben eher etwas mit Geld zu tun, besser gesagt mit Geldmangel.
    »Ich will doch nur das Beste für meine Tiere.« Sie streckt die Hand aus, um Ginges Kopf zu streicheln, besinnt sich jedoch eines Besseren, als er sie ebenfalls anfaucht.
    »Wie viele haben Sie denn im Moment?«, frage ich, worauf sich Gloria wieder in ihr Schneckenhaus zurückzieht.
    »Mehr als die meisten Leute«, antwortet sie. »Hauptsächlich Katzen und ein paar Hunde.«
    »Na gut. Am besten nehme ich ihm gleich heute Blut ab«, sage ich, da ich sie nicht noch weiter in die Defensive drängen will. »Über die Rechnung können wir später reden.« Ich denke an Nigels Cashflow und Emmas Einkünfte. Dann sehe ich Ginge an. Ich sehe Glorias ausgefranste Strickjacke, die Laufmaschen in ihren zwei Paar übereinandergezogenen Strumpfhosen, die Löcher in ihren Schuhen. Was bleibt mir denn anderes übrig?
    Es ist keine leichte Aufgabe, einer so nervösen Katze Blut abzunehmen, aber beim dritten Versuch gelingt es Izzy und mir, ihm so viel abzuzapfen, dass es fürs Labor reicht. Ich gebe Gloria eine Packung Tabletten, vereinbare mit ihr einen neuen Termin, bevor die

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