Stadt, Land, Kuss
Studieren fortging. Im Grunde war er so, wie ich mir meinen Vater gewünscht hätte.
Ich räuspere mich und trinke einen Schluck Kaffee. »Glauben Sie, er hatte je ein Zuhause?«
»Ich werde mich umhören«, sagt Alex. »Vielleicht lebt er bei Gloria.«
»Ich habe heute eine von ihren Katzen untersucht.« Ich zeige ihm die Narben.
»Hat sie es wieder mit ihrer ›Das ist einer meiner Streuner‹-Masche versucht?« Alex zieht eine Augenbraue hoch. »Das hat sie bei uns einmal zu oft getan. Jedes Mal hat sie behauptet, es wären gar nicht ihre Katzen, damit wir ihr das Honorar erlassen. Wissen Sie, dass sie ihre Rechnungen nicht bezahlt? Darum haben wir sie nach einer Weile vor die Tür gesetzt. Es tut mir leid, wir hätten Emma warnen sollen, als wir ihr die Unterlagen zugeschickt haben, doch Sie kennen ja meinen Vater.«
»Ich habe gerade Blut ins Labor geschickt«, erkläre ich und denke mit Schrecken an Emmas Umsatz.
»Ach, sie wird schon irgendwann bezahlen.«
Hoffentlich, denke ich, und mein geplatzter Scheck kommt mir in den Sinn. »Was ist mit Fifi Green?«, frage ich. »Geben Sie ihr wirklich zwanzig Prozent Nachlass?«
»Wohl kaum.« Alex grinst. »Hat sie das behauptet?« Er stellt seine leere Tasse in den Käfig neben dem von Tripod, lässt die Hände sinken und tritt einen Schritt zurück. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bin reif fürs Bett. Danke, Maz.« Er zögert kurz. »Ich hätte Sie nicht wecken sollen – es tut mir leid.«
»Ich bin froh, dass ich helfen konnte.« Ich lächle wehmütig. Alex’ Gegenwart wühlt mich zutiefst auf. Sie rührt an Bereiche, die ich eigentlich längst vergessen wollte.
Ich lasse ihn durch die Seitentür hinaus und sehe ihm nach, als er durch die Dunkelheit und den strömenden Regen davonfährt. Vor gar nicht so langer Zeit war Alex Fox-Gifford noch nicht gerade der Typ Mann, für den ich mich hätte erwärmen können. Mittlerweile bin ich mir allerdings nicht mehr sicher, was für ein Typ Mann er ist.
Ein Friseurtermin
Das Mädchen hinter dem Empfangstresen kann nicht älter als drei oder vier Jahre sein. Es sieht mich aus großen blauen Augen an und spielt mit seinen blonden Locken.
»Wer bist du denn?«, frage ich.
»Ich bin Ruby«, antwortet es leise.
Auf eine Erklärung hoffend drehe ich mich zu Frances um.
»Was soll ich denn machen?«, schimpft sie. »Meine Schwiegertochter muss heute arbeiten, und im Kindergarten haben sie Ruby weggeschickt, weil sie einen Ausschlag hat und der Arzt nicht weiß, was es ist.«
»Ich habe komische Punkte.« Ruby zieht den Saum ihrer Jogginghose hoch.
»Das hier ist keine Kinderkrippe, Frances.« Wie soll sie sich gleichzeitig um den Empfang und das Kind kümmern?
»Guck mal.« Ruby deutet auf ihr Schienbein. »Ganz viele Punkte.«
Ich gehe neben ihr in die Hocke und schaue mir das Bein genauer an.
Jucken sie?«, frage ich, und Ruby beugt sich vor, um ausgiebig daran zu kratzen. »Habt ihr eine Katze zu Hause?«
Ruby nickt. »Er ist ein Kater, heißt Chuckle, und er ist groß und braun und hat Streifen.«
»Frances, Ruby ist nicht ansteckend. Das sind Flohbisse. «
»Oh Gott, wie peinlich«, kreischt Frances. »Ich habe ihr gesagt, dass sie die Katze zum Tierarzt bringen soll, weil sie sich ständig kratzt. Aber sie hört ja nicht auf mich.« Ihrem herablassenden Tonfall nach zu urteilen, den sie auch gewissen Patienten des Otter House gegenüber anschlägt, verbindet sie und ihre Schwiegertochter keine besonders große Zuneigung.
»Sie können Ruby jetzt in den Kindergarten bringen«, sage ich.
»Ich bringe sie in der Mittagspause schnell hin. Keine Sorge, Maz. Ich lasse sie schon nicht aus den Augen.« Frances sieht mich missbilligend an. »Beim alten Fox-Gifford durfte sie mich immer ins Büro begleiten und mit seinen Hunden spielen, und der liebe junge Alex brachte ihr Spielsachen und Süßigkeiten mit.«
»Es ist mir egal, was in Talyton Manor üblich war«, erwidere ich gereizt.
»Izzy hat mir erzählt, dass Alex gestern Nacht eine Katze hergebracht hat«, meint Frances. »Sie ist etwas ungehalten, da Sie sie nicht angerufen haben, um bei der Operation zu assistieren.«
»Ich dachte, sie wäre froh darüber, dass ich sie nicht geweckt habe.« Ich hoffe, ich habe sie nicht verärgert.
»Und Eloise wird das auch nicht gefallen, wenn sie davon erfährt«, fügt Frances hinzu.
»Sie meinen die Pharmareferentin?«
»Alex’ Freundin, genau.«
»Ich wüsste nicht, was sie dagegen
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