Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
weitere schmale, wacklige Treppe hinauf, die zum Dachboden führte. Als Carter die Tür öffnete, schlug ihnen der beißende Gestank, den sie schon früher bemerkt hatten, mit voller Wucht entgegen. Aus der Dunkelheit erklangen ein ärgerliches Rascheln und das Flattern von Flügeln. Etwas rauschte vorbei und streifte Jess’ Haare. Sie zuckte zusammen, und ihr Herz hämmerte wie wild, obwohl sie sofort wusste, was es gewesen sein musste.
»Fledermäuse!«, ächzte sie.
»Eine geschützte Spezies«, stellte Carter fest. »Smith wird Probleme bekommen, sollte er eines Tages wieder hier einziehen wollen.«
Sie stiegen wieder hinunter ins Erdgeschoss.
»Es gibt keinerlei Hinweise, dass jemand eingebrochen und hier gewohnt haben könnte«, meinte Carter. »Weder vor kurzem noch überhaupt. Man sollte meinen, ein leerstehendes Haus würde Hippies oder Landstreicher anziehen. Aber es gibt keine leeren Dosen oder benutzten Spritzen. Keinerlei Anzeichen, dass die Ruhe dieses Ortes gestört wurde.«
»Halten Sie es für möglich, dass Eli einen Eindringling überrascht und die Nerven verloren haben könnte?«, fragte Jess.
»Das könnte sein. Aber es müsste Spuren geben, die jünger sind als siebenundzwanzig Jahre. Wesentlich jünger. Doch bevor die Spurensuche am Freitag herkam, war dieses Haus unberührt. Alles war noch ganz genauso wie vor siebenundzwanzig Jahren, als Eli die Tür absperrte und die Fenster vernagelte. Wie Sie schon sagten, genau wie bei Miss Havisham.«
Sie verließen das Haus, und Jess drehte sich um, um die Haustür zu verschließen. Sie spürte, wie sich ihre Stimmung deutlich besserte. Es war ein schreckliches Haus, und sie hoffte inbrünstig, dass sie es nie wieder betreten musste.
Carter liebte die unerwarteten Fragen, wie es schien, denn in diesem Moment stellte er die nächste. »Sie waren in Alan Markbys Team drüben in Cheriton, wenn ich recht informiert bin?«
»Ja, Sir.«
»Warum sind Sie hierhergekommen?«
»Hauptsächlich, weil ich eine Wohnung gebraucht habe«, gestand Jess. »Ich habe keine gefunden in Bamford oder der näheren Umgebung. Ich hatte gehofft, ich könnte das Haus von Meredith kaufen – Meredith Mitchell, die damals mit Mr. Markby verlobt war und heute seine Frau ist. Aber sie musste den Verkauf zurückstellen, weil er sein Haus bereits veräußert hatte und das neue Haus, das sie gemeinsam gekauft hatten, noch nicht fertig war. Sie brauchten Merediths Haus, um darin zu wohnen. Damit war ich in einer grottenelenden Mietswohnung gestrandet. Eines Tages kam mir zu Ohren, dass hier ein Inspector gesucht wurde, und ich bewarb mich um die Stelle.«
»Und? Haben Sie inzwischen etwas gefunden, in dem Sie sich wohl fühlen?«
»Allerdings, Sir. Ich habe eine Wohnung in Cheltenham. In der ersten Etage eines alten Hauses, das in Wohnungen aufgeteilt wurde.«
»Sehr gut«, sagte Carter.
Jess gab ihrer Neugier nach. »Sie kennen Mr. Markby, Sir?«, fragte sie.
»Was? Oh, ja. Ja, ich bin ihm hin und wieder begegnet im Verlauf der Jahre.«
Mit diesen Worten setzte er sich in Richtung Tor und dahinterliegender Straße in Bewegung.
Er hat keine Hemmungen, anderen persönliche Fragen zu stellen, dachte Jess. Aber er hat etwas dagegen, wenn man ihm welche stellt. Und er beantwortet sie nur sehr ungern. Aber was soll’s? Ich schätze, es ist sein Privileg als Vorgesetzter.
Trotzdem.
Sie war immer noch neugierig.
Kapitel 7
Die Abendsonne tauchte ihr Büro in goldenes Licht und zeigte überdeutlich, wo die Putzfrau auf den Holzdielen die Ecken ausgelassen hatte. Jess saß mit der aufgeschlagenen Akte über den Doppelmord auf der Cricket Farm an ihrem Schreibtisch. Hinter ihr lag ein langer Tag, und sie war erledigt. Sie sehnte sich danach, heimzugehen und endlich zu duschen und neue Kleidung anzuziehen. Ringsum schickten sich ihre Kollegen an, genau dies zu tun. Das Gebäude leerte sich. Schritte hallten durch die Gänge, und die gelegentlichen »Schönen Feierabend«-Rufe echoten von den Wänden und der Decke. Jess hörte, wie unten auf dem Parkplatz Motoren angelassen wurden und neue Wagen kamen. Die Nachtschicht traf ein.
»Los, mach auch Feierabend, Jessica«, flüsterte sie zu sich selbst. Doch die Akte ließ sie nicht los. Vor ihrem geistigen Auge entrollte sich die traurige, schauerliche Geschichte, die sich in dem düsteren, verlassenen Haus abgespielt hatte. Die modernden Vorhänge und das verstaubte Mobiliar und über allem der ranzige Geruch, der immer noch in
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