Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
kultiviert hatte, um dies zu verhindern. Er war jedenfalls entschlossen, sich nicht auffressen zu lassen.
Ihr Mobiltelefon summte wie eine Biene hinter einer Glasscheibe. Sie hatte vergessen, dass sie den Rufton abgeschaltet hatte. Hastig nahm sie es hervor. »Ja?«
Es war Tom Palmer, und er tat, was Carter versäumt hatte: Er fragte sie, ob sie Lust hatte, mit ihm noch etwas trinken zu gehen. »Und für den Fall, dass Sie noch nichts gegessen haben – ich bin auch noch hungrig.«
Es war nicht das erste Mal, dass sie einen ruhigen, entspannten Abend mit Tom verbrachte. Tom hatte ein Problem, und sie verstand es nur zu gut: Er hatte die Sorte von Arbeit, die andere Menschen abschreckte. Er konnte nicht reden über das, was er machte. Derart grausige Details waren wohl kaum Tischkonversation, und wenn er jemanden kennen lernte, der sich ernsthaft für Autopsien interessierte, dann musste man dieser Person mit gebotener Vorsicht begegnen.
All das schränkte seinen Bekanntenkreis stark ein. Wenn er jemandem die Hand schüttelte, fragte sich dieser Jemand unweigerlich, wen oder was Tom an diesem Tag bereits seziert hatte. Und wenn er mit Bekannten zusammen essen ging, beobachteten sie ihn fasziniert dabei, wie er sein Steak zerteilte.
»Einmal war ich auf einer Dinnerparty und saß einer Frau gegenüber, die von mir wissen wollte, was ich beruflich mache«, hatte Tom ihr einmal erzählt. »Also sagte ich es ihr. Sie wollte wissen, warum ich ausgerechnet dieses Gebiet gewählt hatte. Ich antwortete, weil es mir Spaß macht. Weil es mich interessiert. Sie redete den ganzen Abend kein einziges Wort mehr mit mir. Sie sah mich nicht einmal mehr an. Nach dem Essen setzte sie sich auf die andere Seite des Saals. Ich muss in ihren Augen wohl so etwas wie Dr. Frankenstein gewesen sein.«
Und so kam es, dass Tom hin und wieder mit jemandem ausging, der ihn kannte und wusste, was er tat, und der keinen zweiten Gedanken daran verschwendete. Jess hatte oft feststellen müssen, dass ihr Beruf als Ermittlerin einen ähnlich dämpfenden Effekt auf sich anbahnende Unterhaltungen hatte. Manchmal dachte sie, wenn sie mit Tom zusammen bei einem Pint saß, dass sie wie zwei Exilanten in einem fremden Land waren.
Immer noch besser, als allein daheim vor dem Fernseher mit einem Teller Pasta oder einem Hühnchen mit gebratenem Reis aus dem Schnellimbiss.
»Prima!«, sagte sie. »Wo? Falls Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne einen Laden ausprobieren, der sich Hart nennt. Er ist ganz in der Nähe der Cricket Farm.«
»Ist das Arbeit?«, fragte Tom misstrauisch.
»Nein, nur Neugier.«
Das Hart hatte nicht den gleichen Weg nach oben eingeschlagen wie das Foot to the Ground , doch es befand sich in einem ähnlich alten Gemäuer. Es ruhte auf seinen mittelalterlichen Fundamenten und stand heute wie damals jedem offen, der hungrig oder durstig war. Wie das Foot to the Ground war es ein beliebtes Speiselokal, doch die Karte war weniger ehrgeizig und stützte sich sehr stark auf Pommes frites. Im Verlauf der Jahrhunderte waren hier Reisende und Einheimische eingekehrt, Farmer und Knechte, müde Passagiere von Postkutschen und ganz allgemein jeder, der sich ausruhen, erfrischen und Kraft sammeln wollte. Heutzutage kamen die Gäste nicht mehr zu Fuß oder zu Pferde – sie trafen wie Tom und Jess mit ihren Wagen ein.
Das Innere des Lokals war ein wenig heruntergekommen, und über allem schwebte ein anhaftender Geruch von frittiertem Essen und verschüttetem Bier. Eine Ecke wurde beherrscht von der blitzenden und blinkenden Front eines Geldspielautomaten, in einer anderen saß ein alter Mann mit seinem altersschwachen, rotäugigen Spaniel. Die Stimmung war gut, und das Gleiche schien für die Geschäfte zu gelten.
»Sieht ganz okay aus«, meinte Tom. Angesichts seiner nüchternen Arbeitsumgebung war die alltägliche Normalität eine willkommene Abwechslung. Er studierte die Speisekarte, die er auf dem Weg von der Tür zum Tisch eingesammelt hatte. »Bratfisch und Pommes frites, Steak und Pommes, Baconburger und Pommes, Hühnchen und Pommes … Oh, und Lasagne … mit Pommes.«
»Offen gestanden«, flüsterte Jess, »offen gestanden fürchte ich, wir werden nur einen Drink nehmen und dann woanders essen gehen. Sehen Sie das Paar dort?«
Sie deutete zu einem Tisch auf der anderen Seite des Lokals, wo Penny Gower und Andrew Ferris am Fenster saßen.
»Jepp. Wer sind sie?«
»Die Frau führt einen Reitstall, und der Typ hilft ihr aus.
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