Stahlfront 2: Versenkt die Hindenburg
übergewichtig. Ihren allzu üppigen Busen trug sie stets eine Etage zu tief vor sich her.
Ihre Nase war genauso rund wie ihre Wangen, die dünne Oberlippe entblößte unregelmäßig geformte Zähne, die ein böswilliger Mensch auch als »Pferdegebiß« hätte bezeichnen können. Ihre langen, stets fettigen Haare waren einst rötlichbraun gewesen. Mittlerweile waren sie wegen galoppierender Ergrauung erkennbar schlecht gefärbt.
Sie war verheiratet, aber keiner ihrer Kollegen hatte ihren Ehemann jemals gesehen. Sie redete auch kaum von ihm – dafür um so mehr von den Katzen und Hunden, mit denen sie sich in ihrem Haus im Grüngürtel der Hauptstadt umgab.
Die Chefin vom Dienst war eine der wenigen Frauen in Thule, auf die der Begriff »Emanze« tatsächlich zutraf. Sie ging davon aus, daß Frauen etwas Besseres wären und deshalb prinzipiell höhere Ansprüche hätten und besser behandelt werden müßten als Männer.
Trotz ihres breiten Beckens war sie kinderlos geblieben (was die Genetiker Thules hinter vorgehaltener Hand durchaus begrüßten).
Manfred Behrens war einer der wenigen Mitarbeiter bei den »Thule-Nachrichten«, mit denen Braun problemlos zurechtkam. Vielleicht lag das daran, daß Manfred in ihr eine Art Ersatzmutter in dieser für ihn so schrecklichen neuen Welt sah.
Er hatte mit ihr seine Artikelserie über die Operation »Reinemachen« abgesprochen. Braun war natürlich vom OKT schon informiert worden. Sie hatte mehrmals vergeblich versucht, Manfreds Versetzung auf die »Hindenburg« für die Dauer der näheren Kampfhandlungen zu verhindern.
Aber gegen den Bärwolf kam nicht einmal eine zähe Braut wie sie an.
Gerade hatte ihr Manfred brühwarm vom gestrigen Abend erzählt. »Ich verstehe es einfach nicht, daß diese Frauen freiwillig hierhergekommen sein sollen .«
»Geht mir ebenso«, erklärte Braun und schenkte Manfred noch eine Tasse des teuren Assam-Tees ein, den außer ihr niemand sonst genießen durfte, nicht einmal ihr Mann. »Aber worüber willst du einen Artikel schreiben, wenn die dummen Gänse nicht kooperieren ?«
»Über die anderen.« Als er Brauns verblüfftes Gesicht sah, fuhr er mit einem verschlagenen Grinsen fort: »Überleg doch mal, Uschi. Gabi und Elsebeth haben mir glaubhaft versichert, daß sie völlig freiwillig hergekommen sind. Bei Magnus, Mike und mir war es zwar bedingt durch die Umstände ein wenig anders, aber damals in dem verbrannten Dorf am Amazonas habe ich mich auch freiwillig dazu bereiterklärt, wieder an Bord des Stahlzeppelins zu gehen. Und alle anderen, mit denen ich gesprochen habe, sind aus völlig freien Stücken hier. Daran gibt es nichts zu rütteln .«
»Das ist mir klar. Und deswegen ist es auch keine Story .« Obwohl sie in Thule geboren worden war, legte Uschi Braun Wert darauf, immer wieder möglichst viele englische Begriffe zu verwenden. Jetzt sah sie Manfred ziemlich ratlos an.
Der lachte auf einmal über das ganze Gesicht. »Im Gegenteil, das ist vielleicht sogar die Story des Jahrhunderts, Uschi! Glaubst du denn wirklich, alle von unseren Agenten Angesprochenen hätten sich für die Umsiedlung nach Thule entschieden? Das ist mehr als unwahrscheinlich !«
»Ja. und?«
»Ich bin erst vor einem halben Jahr hergekommen. Bis dahin war ich freier Journalist. Irgend jemand, der ein Angebot Thules bekommen und abgelehnt hat, hätte garantiert darüber geplaudert, mein Schnuckelchen .« Es tat ihr gut, wenn Manfred sie so nannte, das wußte er. »Und dann hätte ich davon gehört. Aber das war nicht der Fall .«
»Also hat doch keiner abgelehnt. ?«
Manfred konnte sich gerade noch bremsen, die Augen zu verdrehen, aber er klang nun doch wie jemand, der einem Erstkläßler etwas zum zweitenmal erklärt: »Wenn niemand, der das Angebot ablehnte, über die Sache geredet hat, dann nur aus einem einzigen Grund - er konnte es nicht mehr !«
»Du meinst.?«
»Ja.« Er nickte bedeutungsschwer. »Thule macht den auserwählten >Ariern< ein Angebot von der Art, die man nicht ablehnen kann. Entweder du kommst mit. oder PENG!« Mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger formte er eine imaginäre Pistole, gab einen imaginären Schuß auf Braun ab und pustete dann den ebenso imaginären Rauch aus dem Lauf.
Endlich hatte die Chefin vom Dienst begriffen, wie ihre schreckgeweiteten Augen signalisierten. »Das wäre tatsächlich eine Hammerstory !« erklärte sie schließlich. »Aber wir müssen vorsichtig sein. So etwas können wir nur veröffentlichen, wenn
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