Stahlhart
schon um die Entscheidung und kamen Rainer entgegen, um ihm zu gratulieren. Auch Jens Goldstein, der in Rainers Position als Gerichtsreporter geschlüpft war, freute sich anscheinend für den Kollegen, aber auch für sich selbst.
»Übrigens, Rainer, hast du die Geschichte von den Banküberfällen gehört?«, wollte er nach den üblichen Glückwünschen wissen.
»Eigentlich nur am Rande und überflogen, warum?«, gab Rainer überrascht zurück.
»Na, es scheint deutlich einen Bremer Bezug zu geben. Alles deutet darauf hin, dass mindestens drei Banküberfälle von ein und demselben Täter ausgeführt worden sind. Die ersten beiden ähneln sich in der Durchführung, der in Hemelingen weist die Gemeinsamkeit der Verkleidung des Täters auf: Schwarze Klamotten und Motorradhelm. Außerdem entspricht die Beschreibung der Statur des Täters den Aussagen der Zeugen, die zu den ersten Überfällen vernommen worden sind, der der Videoüberwachung in Hemelingen. Der Täter wird so um die 1,80 Meter groß sein.«
»Na und, das trifft auf viele zu. Der Täter könnte dicke Sohlen oder Einlagen getragen haben, und 1,80 Meter ist fast eine Standardgröße. Ich bin zum Beispiel auch so groß, mein zukünftiger Schwager ebenfalls oder denk an Roland Ernst. Und wer sagt eigentlich, dass es sich um einen männlichen Täter handelt? Es könnte doch auch eine Täterin gewesen sein.«
Abends gab es für Rainer und Britta die Beförderung zu feiern. Beide hübschten sich auf und fuhren zum Essen ins El Mundo nach Walle. Britta war nicht ganz bei der Sache, da sie gedanklich natürlich bei ihrer Mutter war.
»Wie geht es ihr?«, erkundigte sich Rainer mitfühlend.
»So weit ganz gut, aber für sie ist es der erste längere Krankenhausaufenthalt. Da ist sie verständlicherweise besonders ängstlich, aber ich glaube, das gibt sich bald.«
Die Wirkung des Weines und Rainer schafften es, sie aus ihrem gedanklichen Tal zu hieven, und es wurde doch noch ein harmonischer, zärtlicher Abend.
Rainer begann am nächsten Tag seine neue Tätigkeit in der Politik-Redaktion. Er arbeitete sich ein, vertiefte sich in die aktuelle politische Lage, las alles zu den Parteien, was er bekommen konnte. So würde es die nächsten Tage weitergehen, bis er jeden Namen, jedes Gesicht, jeden Ausspruch, jeden Flügel aller Parteien kannte. Hinzu kam die außenpolitische Lage. Die Zeit verstrich. Ab und an setzte sich Jens auf Rainers Schreibtischkante, und sie plauderten über die Bremer Verbrechen. Jens informierte Rainer darüber, dass der Filialleiter der Bremer Bank in Walle leider an einem Herzinfarkt verstorben sei. Die Polizei war in der Sache keinen Schritt weitergekommen. Der Täter hatte praktisch keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Allen Beteiligten war klar, dass es sich um einen Profi mit Insiderkenntnissen handeln musste. Die Polizei aus Bremen und Niedersachsen– betraut mit dem Worpsweder Überfall– überprüfte gerade die üblichen Verdächtigen. Ehemalige Täter, die noch lebten und gerade nicht in Haft saßen. Jens sah Rainer über die Schulter, wie der sich auf Interviews vorbereitete, die er im Bremer Senat zu führen gedachte, als beide zum Chefredakteur gerufen wurden.
»Ich habe da eine Sache, die euch beide betrifft. Deshalb will ich euch gemeinsam darauf ansetzen. Es geht um einen Prozess in Hannover über die Neonazi-Szene. Wie unsere Informanten erklärten, werden auch die Bremer Mitglieder stark vertreten sein. Deshalb solltest du, Jens, zugegen sein. Du kennst einige der Jungs aus vergangenen Prozessen, und da es gleichzeitig eine politische Dimension beinhaltet, solltest du, Rainer, die Angelegenheit aus diesem Blickwinkel beleuchten. Vielleicht kommt nur einer von euch zum Tragen, aber ich will euch beide da haben«, erklärte Kurt Koschnick seinen Mitarbeitern.
»In Ordnung«, willigte Rainer ein, und auch Jens erklärte sich einverstanden.
»Jetzt stehen wir also in direkter Konkurrenz«, meinte Jens, als sie das Chefbüro wieder verlassen hatten.
Rainer war irritiert.
»Das siehst du falsch«, widersprach er. »Wir beide sind immer noch Kollegen. Konkurrenz kommt von anderen Blättern. Wir schreiben doch nur für unterschiedliche Ressorts. Vielleicht erscheinen wir sogar beide. Wir fahren doch zusammen?«
»Klar!«, nickte Jens und machte sich auf den Weg zu seinem Schreibtisch.
Den Abend hatte Rainer für Britta reserviert. Er hatte alle Termine abgeblockt, groß eingekauft und wollte sie mit einem
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