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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Insektengift stand auf dem Schreibtisch wie eine Blumenvase.
    Arkadi stellte Reisetasche und Matchbeutel ab und fragte den Nachtportier: »Staatsanwalt Sarkisian hat hier ein Zimmer für mich gebucht?«
    »Persönlich. »
    Arkadi warf einen zweiten Blick auf den Mann. Sein Kopf war kahl rasiert und ein bisschen flach. Er hatte eine Plastikplane in der Hand. »Sie sind der Liftführer aus seinem Büro. Sie haben zwei Jobs.«
    »Was der Staatsanwalt will, mache ich.«
    Arkadi strich mit dem Finger über die Brandflecken von Zigaretten auf dem Fernsehschrank. »Verstehen Sie es nicht falsch, aber ich werde mir eine andere Unterkunft suchen.« Der Nachtportier konnte lächeln. »Macht nichts. Sie haben die Schwelle überschritten, Sie müssen bezahlen.«
    » Wie viel?«
    »Tausend Rubel für eine Nacht.«
    »Eine Nacht wovon?«
    »Egal.« Der Nachtportier breitete die Plastikplane auf dem Boden aus. Arkadi fand, dass es für diese Art von Reinlichkeit ein bisschen zu spät sei. »Dieses Zimmer wurde für Sie reserviert.«
    »Nicht von mir.«
    »Sie haben die Schwelle überschritten.«
    Es war schwer, mit einem so wortkargen Mann zu streiten.
    Arkadi fühlte sich selbst nicht allzu helle, aber ein kosmischer Strahl, der durch sein Gehirn fuhr, kitzelte seine Erinnerung wach. »Ich habe Sie schon mal gesehen. Sie haben geboxt.«
    »Und?«
    »Im Halbfinale, beim Internationalen Turnier 1998. Sie gegen einen Kubaner. Nach zwei Runden lagen Sie vorn, aber in der dritten wurden Sie verletzt, und der Kampf wurde abgebrochen. Es war ein großartiger Kampf. Wie hieß der Kubaner noch? Wie hieß er?«
    Der Nachtportier war geschmeichelt. »Martinez. Er hieß Martinez. »
    »Er hat Ihnen einen Kopfstoß verpasst, nicht wahr?«
    »Ja, aber daran erinnert sich niemand. Nur daran, dass ich verloren habe.«
    Das war Anlass zu einer allgemeinen Betrachtung über die Ungerechtigkeit des Lebens. Arkadi dachte an seine Pistole, die wohl verwahrt in Moskau lag.
    Der Nachtportier musste den Kopf schütteln. »Sie haben ein ziemlich gutes Gedächtnis.«
    »Mal ja, mal nein. Und jetzt arbeiten Sie als Knochenbrecher?«
    »Manchmal.« Der Nachtportier war verlegen wie ein Meisterzimmermann, der den Auftrag bekommt, ein Vogelhäuschen zu bauen. Er schob sich einen Schlagring aus Messing über die Hand. »Arthritis.«
    »Tut das weh?«
    »Ein bisschen. »
    »Na, das hier wird vielleicht ein bisschen brennen.« Arkadi griff nach der Spraydose und sprühte dem Portier Insektengift ins Gesicht.
    »Scheiße! »
    Arkadi schlug ihm mit der Dose auf den Schädel. Dem Portier lief Blut über das Gesicht. Er war wirklich leicht zu verletzen.
    »Du Schwein!«
    Der Portier machte ein paar tastende Schritte und verhedderte sich in der Plastikplane.
    »Drecksau!«
    Vom Hotel Zum Schiffer fuhr Arkadi zum Bahnhof. Dort würde ein Mann, der im Auto saß und wartete, nicht weiter auffallen. Der stickige Geruch des Insektengifts folgte ihm, und er kurbelte die Fenster herunter. Er wusste nicht, was der Nachtportier vorgehabt hatte - ihm Angst zu machen, eine Rippe zu brechen, die Lippe aufzuschlagen. Arkadi hatte das Gefühl, dass hier wirklich eine Schwelle überschritten worden war. Im Laufe eines Tages war er von einem leitenden Ermittler in Moskau zu einem Obdachlosen in Twer geworden. Er hatte eine Reaktion provozieren wollen, und sein Wunsch war ihm erfüllt worden.
    Sein Handy klingelte. Es war Eva.
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie. »Du hast dem Mann ein Handtuch gegeben?«
    »Hab ich wohl.«
    »Du besprühst einen Mann, der dich angreifen will, und dann gibst du ihm ein Handtuch, damit er sich die Augen auswischen kann? Hast du dich dadurch besser gefühlt?«
    »Ein bisschen.« Er schrieb die Anrufer-ID auf dem Handydisplay in sein Notizbuch, solange er sich daran erinnerte. Die Nummer und »Hotel Obermeier«. »Wie hast du davon erfahren?«
    Es war eine Weile still, bevor Eva antwortete. »Die Hauptsache ist, dass du Twer wieder verlässt.«
    »Noch nicht.«
    »Nikolai hat versprochen, dich in Ruhe zu lassen. Es wird nicht noch einmal vorkommen.«
    »Mich in Ruhe zu lassen oder dich?«
    »Dich. Zumindest bis zur Wahl.«
    »Glaubst du, er wird gewinnen?«
    »Er muss gewinnen.«
    »Wegen des Ruhms oder wegen der Immunität vor einer Strafverfolgung? »
    Wieder war es still.
    »Bitte, Arkadi, fahr nach Hause.« Sie trennte die Verbindung.
    Immunität wäre das Sahnehäubchen auf Isakows Torte. Senator Isakow wäre kugelsicher. Das Gesetz schützte die

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