S.T.A.L.K.E.R. 03 - Apokalypse
Irena Rothe entfernte sich immer weiter von ihr. Der seidene Faden, der sie noch am Leben gehalten hatte, war endgültig zerrissen.
„Hier, greifen Sie doch nach meinen Gedanken", forderte Kim, „dann können Sie ihn sehen." Sie beugte sich vor und hielt der Sterbenden den Kopf entgegen, doch das war ein sinnloses Unterfangen.
Der Lautsprecher unter dem Monitor gab bereits ein schrilles Fiepen von sich. Irenas Lebenskurven verwandelten sich in flache Linien, die schnurgerade über den Bildschirm zogen.
Kim schrak in die Höhe und stolperte zurück. Sie fühlte sich schuldig, weil ihr nicht eher klar geworden war, mit wem sie es zu tun hatte. Von kaltem Grauen gepackt, wandte sie sich um und stürzte durch die Schwingtüren davon. Hinaus in die leeren, kalten Gänge, die nur weiteres Unheil bereithielten.
7.
IN DER ZONE
Fluchend klemmte sich Marinin die schwarz verkohlte Hand unter die linke Achsel und begann den Oberkörper rhythmisch vor und zurück zu wiegen. ,,Verdammter Dreck, das darf ja wohl nicht wahr sein!"
Ein trocknes Husten begleitete die Worte.
„Lass das!", schimpfte David. „Das macht es nur noch schlimmer." Er hob das Steinblut hoch, um es zur Heilung anzubieten.
Widerstrebend zog Marinin die Rechte hervor. Sie dampfte nicht mehr. Es war auch keine offene Wunde zu sehen.
„Zwiebelt bloß noch ein bisschen", sagte er überrascht.
Prüfend sah er näher hin. Dann befeuchtete er den linken Daumen und wischte über die Brandstellen. Bereits unter dem ersten Strich trat intakte Haut hervor. Erleichtert atmete er auf. Die Hand war gar nicht richtig verletzt, sondern nur mit schmierigem Ruß bedeckt.
David reichte ihm trotzdem das Steinblut.
Der Kristall entwickelte nur ein schwaches Glimmen, als ihn der Major über den Handrücken, die Finger und die besonders stark betroffene Innenfläche führte. Um den schwarzen Rußbelag loszuwerden, musste er seine Hand an der Hose abwischen. Einmal dabei, drückte er das Steinblut gegen den Brustkorb. Daraufhin lösten sich aus dem Schimmer glühende Schleier, die durch seine Kleidung hindurch bis tief in die angegriffenen Lungenflügel zogen.
Dass er dabei gleichzeitig an der Papirossi zog, war der Heilung wenig zuträglich, doch die Metastasen ließen sich ohnehin nur eindämmen, nicht gänzlich vernichten. Der nächste Husten fiel schon wesentlich sanfter aus.
Gleich darauf lachte er sogar.
„Jetzt sieh dir das mal an!" Marinin deutete auf Igel, der besinnungslos auf dem Rücken lag. Gagarin hatte von seiner Kehle abgelassen und fuhr ihm stattdessen mit der Zunge durchs Gesicht, als wollte er ihn wecken.
David konnte sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen.
„Hey, was ist denn hiermit?" Er tippte auf die Buchstaben, die immer noch auf Igels Unterarm prangten. „Gibt es gar keinen Grund mehr, die anzukläffen?"
Der Hund sah kurz auf, schien aber nicht recht zu wissen, was David von ihm wollte. Also machte er sich daran, Igel weiter mit der langen Zunge zu bearbeiten. Ächzend drehte sich der Stalker zur Seite und hob abwehrend eine Hand vors Gesicht. Daraufhin gönnte ihm Gagarin eine Pause.
David zog sein Gewehr dichter an den Körper, um es notfalls sofort herumschwenken zu können. Aber ein weiterer Blick auf den S.T.A.L.K.E.R.-Schriftzug nährte in ihm die Hoffnung, dass der Parasit ausgemerzt war. Die Buchstaben wirkten längst nicht mehr so feucht glänzend wie zuvor, sondern irgendwie stumpf. Und eher anthrazitfarben als intensiv schwarz.
Eine Hand an der Stirn, stemmte sich Igel in die Höhe.
„Was ist denn los?", fragte er und wirkte auch sonst orientierungslos. Nachdem sein Blick von Alexander Marinin über David zu dem Hund und wieder zurück gewandert war, brach die Erinnerung schlagartig über ihn herein. Abrupt riss er den tätowierten Arm hoch und starrte ihn sekundenlang mit einem Ausdruck höchster Verblüffung an.
„Gibt's doch gar nicht." Mehr kam zuerst nicht über seine Lippen. Nur noch: „Kann ja echt nicht sein."
Dass sich Gagarin neben ihm niederließ und den Kopf auf die Vorderpfoten legte, schien Igels Harmlosigkeit zu bestätigen. Außerdem spürte David, dass Igels Emotionen echt und nicht gespielt waren. Die Barriere, die ihn zuvor auf PSI-Ebene abgeschirmt hatte, war mit dem Parasiten verschwunden.
„Mit wem haben wir es zu tun?", fragte Marinin und drückte die stinkende Machorka-Zigarette neben sich auf dem Boden aus.
Über Igels Nase entstanden zwei steile Falten, die sich wieder glätteten,
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