Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
von
›Nachtvogel‹. Die Risse im Holz bereiteten ihm einige Schwierigkeiten, aber er brachte trotzdem eine
einigermaßen ordentliche Melodie zusammen.
Die Musik hatte den gewünschten Effekt. Langsam und
zögernd kletterte das Geschöpf herab, jeweils einen
Zweig nach dem anderen. Als es sich näherte, stellte Kim fest, daß der kleine Musikliebhaber kleiner war und jünger wirkte als jene Neffaler, die Arbeiten für die Ryol verrichteten. Auch dieses Wesen war unglaublich dürr, aber gleichzeitig bemerkte Kim eine Art von
unschuldiger Neugier, die er mit kleinen Kindern und jungen Tieren assoziierte. Er vermutete, daß es noch eine Weile dauerte, bis dieser Neffaler das
Erwachsenenalter erreichte.
Kim spielte weiter, und schließlich hing das Wesen am untersten Zweig des Baumes – die mit sechs Zehen
ausgestatteten Füße baumelten nur einige Meter über
dem Kopf des Fähnrichs hin und her. Kim achtete
darauf, plötzliche Bewegungen zu vermeiden, als er
weiterspielte. Es dauerte nicht lange, bis der Neffaler sich fallen ließ und auf dem Rasen vor dem Menschen
landete – sein rotes Fell bildete einen auffallenden Kontrast zum violetten Moos. Langsam schob er sich
näher an Kim heran.
Das Wesen wirkte eigentlich recht niedlich, fand der Fähnrich. Es erinnerte ihn an die Schimpansenkinder, die Libby und er in einem Naturpark unweit der
Starfleet-Akademie gesehen hatten.
Etwa anderthalb Meter vor Kim verharrte das Geschöpf.
Eine Zeitlang beobachteten sich Mensch und Neffaler
gegenseitig, während noch immer die
Klarinettenmelodie erklang und der Wind leise die
Blätter des Baums rascheln ließ. Nach einigen Minuten brachte es Kim nicht mehr fertig, den leichten Teil von
›Nachtvogel‹ noch einmal zu wiederholen. Er hörte
damit auf, ins Mundstück zu blasen, ließ die Klarinette langsam sinken und war fast sicher, daß der Neffaler fortlaufen würde.
Doch zu seiner großen Freude blieb das Wesen vor ihm hocken und betrachtete die Klarinette mit deutlich
erkennbarer Faszination. »Bist du daran interessiert?«
fragte Kim leise. Er bot das Instrument dem Neffaler an und drehte es so, daß das Mundstück in Richtung der
kleinen Hände wies.
Das Geschöpf blickte nach rechts und links, als hätte es Angst davor, bei etwas Verbotenem ertappt zu werden.
Dann nahm es die Klarinette entgegen.
Zuerst pustete es ins falsche Ende und erzeugte
dadurch ein trötendes Geräusch, das den Neffaler
erschrocken zusammenfahren ließ. Schon nach kurzer
Zeit begriff er, worauf es ankam, und voller
Begeisterung blies er ins Mundstück. Die dadurch
verursachten Töne schienen seine Aufregung immer
mehr zu steigern. Kim stellte amüsiert fest, daß die Mißklänge dem Wesen ebensogut zu gefallen schienen
wie die richtigen Töne.
Die Dissonanzen wurden immer seltener, als der
Neffaler mit atemberaubender Geschwindigkeit lernte.
Kim hörte mit wachsendem Erstaunen zu und konnte es
kaum fassen. Er hätte schwören können, daß das dürre, pelzige Wesen tatsächlich begann, dem Instrument so
etwas wie eine Melodie zu entlocken. Sie war nicht sehr komplex, aber einige Töne klangen schwermütig. Wenn ich doch nur mit soviel Gefühl spielen könnte , dachte Kim kummervoll. Der Neffaler offenbarte mehr als nur eine natürliche Begabung für Musik; er war ein echtes Wunder.
Kim war so sehr auf die verblüffenden Leistungen des Wesens konzentriert, daß er alles andere um sich
herum vergaß. Einer anderen Präsenz im Garten wurde
er sich erst bewußt, als der Neffaler jemanden oder
etwas hinter ihm bemerkte. Erschrocken ließ das
Geschöpf die Klarinette fallen und sauste davon, noch bevor das Musikinstrument den Boden erreicht hatte.
Der Neffaler lief so schnell, wie es die dürren Beine erlaubten, verschwand dann in einigen aquatisch
wirkenden Büschen.
»Warte!« rief Kim dem Wesen nach. »Was ist los?« Er
blickte über die Schulter, um festzustellen, was den Neffaler verscheucht hatte.
Er sah eine attraktive Ryol, die dicht hinter ihm stand.
Ein safrangelbes Kleid reichte ihr bis zu den Knien, und unter dem dünnen Stoff zeichneten sich deutlich die
Konturen des Körpers ab, als der Wind ihn an den Leib preßte.
»Hat das Tier Sie gestört?« fragte die Frau. Ihre Stimme war melodisch und zeichnete sich durch einen
exotischen Akzent aus. »Bitte entschuldigen Sie.
Vermutlich ist es nicht richtig dressiert. Wir geben uns alle Mühe, die Neffaler angemessen abzurichten,
aber…«
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