Star Trek - VOY - 014 - Das schwarze Ufer.rtf
nachher.
»Ich bitte Sie.« Der Mensch rollte empört mit den
Augen. »Das ist ein Injektor, kein Phaser. Man könnte meinen, Sie wären noch nie im Behandlungszentrum
eines Arztes gewesen.«
»Geben Sie auf«, grollte Nalec. »Andernfalls breche ich Ihnen alle Knochen im Leib und sauge das Mark aus
ihnen!«
»Wie abscheulich!« erwiderte der Doktor. Er sah zum
umschlossenen Handgelenk empor. »Na schön«, sagte
er und seufzte.
Zwei Dinge geschahen fast gleichzeitig. Der ›Injektor‹
fiel, traf Nalecs einen Fuß, hüpfte von dort aus zum anderen und prallte erneut ab, bevor er mit einem
metallenen Klirren auf dem Boden liegenblieb. Und die Hand des Doktors löste sich mühelos aus Nalecs festem Griff. Sitruua blinzelte mit ihren hellgrünen Augen und konnte kaum glauben, was sie gerade gesehen hatte.
Beim unstillbaren Verlangen des Ältesten hätte sie
schwören können, daß die Hand des kahlköpfigen
Menschen durch das Fleisch und die Knochen des Ryol geglitten war. So etwas konnte doch nur eine optische Täuschung sein, oder? Keiner der neuen Neffaler hatte derartige transdimensionale Fähigkeiten gezeigt.
»Kadaver!« verfluchte Nalec den Doktor. Eine Fußklaue war verletzt und angeschwollen; ihr Nagel wies in der Mitte einen Riß auf. »Stinkendes Aas!« Er fuhr die
Handkrallen ganz aus und zielte damit nach der Kehle des Doktors.
»Sei vorsichtig!« rief Sitruua, die plötzlich eine Gefahr in dem ungewöhnlichen Menschen zu sehen begann.
»Paß auf!«
Ihre Warnung kam zu spät. Nalecs Krallen passierten
den Körper des Arztes so, als bestünde er aus leerer Luft. Das Bewegungsmoment trug den Ryol weiter,
durch den immateriellen Gegner zum Tresen dahinter.
Der Aufprall war heftig, und ein Tablett mit
verschiedenen Gegenständen flog fort.
Nalec wirbelte wütend herum, und Schaum spritzte von seinen Lippen. In den Augen irrlichterte es, und die goldene Mähne umgab ein Porträt heißen Zorns.
»Warte!« Sitruua versuchte mit wachsendem
Unbehagen, die außergewöhnliche Situation zu
verstehen. »Er ist nur ein Trugbild, eine Illusion.«
»Nein!« zischte Nalec. »Ich habe ihn zuvor gespürt, und er hatte ebenso Substanz wie du und ich.« Er warf
einen kurzen Blick auf den verletzten Fuß, sah dann
wieder den Doktor an. »Auch seine Waffe war keine
Illusion, glaub mir.«
Nalec hat recht, dachte Sitruua. Offenbar konnte man ihr die Verwirrung deutlich ansehen, denn der Doktor sprach erneut in seinem pedantischen Tonfall, der die Ryol mit solchem Zorn erfüllte.
»Es ist ganz einfach«, sagte er. »Ich kann Sie
berühren.« Er streckte die Hand aus und zupfte an
Nalecs Bart, riß ihm einige blonde Haare aus. »Aber Sie können keinen Kontakt mit mir herstellen.« Nalec
handelte instinktiv und schlug nach dem Menschen,
doch wieder trafen seine Krallen nur leere Luft, während die goldenen Barthaare zu Boden sanken. »Verstehen
Sie jetzt?« fragte der Doktor. »Oder soll ich es Ihnen noch einmal zeigen?«
»Ich brauche Sie nicht zu berühren, um Ihnen Ihre
ganze Lebenskraft zu nehmen«, stieß Sitruua hervor.
Sie meinte es ernst, konnte die Provokationen dieses haarlosen Menschen einfach nicht mehr ertragen. Von
einem Augenblick zum anderen vergaß sie den Auftrag, die Kommandantin der Voyager zu finden und unter Kontrolle zu bringen. Jetzt ging es nur noch darum,
diesem armseligen Wesen zu zeigen, wer die wahren
Herren des Kosmos waren. Sitruua durchbohrte den
Doktor mit ihrem Blick und richtete das Verlangen auf ihn. Die Portale ihres Geistes öffneten sich weit, und psychische Tentakel tasteten nach dem Menschen, um
seine vitale Kraft zu packen und sie aus ihm
herauszuzerren…
»Entschuldigen Sie bitte«, sagte der Doktor. »Mit Ihren Augen scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Möchten Sie, daß ich sie untersuche? Eine zu starke Weitung der Pupillen könnte das Symptom verschiedener
medizinischer Funktionsstörungen sein, hervorgerufen zum Beispiel von Drogenmißbrauch oder rigelianischem Hirnfieber.«
Arrrgh! Sitruua hätte ihrer Mischung aus Ärger und Enttäuschung am liebsten mit einem Schrei Luft
gemacht. Nur bei anderen Ryol hatte sie erlebt, daß ihr Verlangen auf Widerstand stieß, manchmal sogar auf
Leere. In diesem Fall suchte es vergeblich nach der
Essenz des Doktors. Nur mit Mühe konnte sie die
eigene Gier kontrollieren und vermeiden, daß sich der Hunger auf Lebenskraft gegen sie selbst richtete.
Der Zorn brannte immer heißer in ihr.
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