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Starker als dein Tod

Starker als dein Tod

Titel: Starker als dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Castillo Linda
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zugenommen. Es heulte in den Baumwipfeln, als ob tausend Teekessel pfiffen. Der Schnee kam inzwischen von der Seite. Seine Ohren waren kalt. Seine Füße taub. Und auch wenn er es nicht gerne zugeben wollte, war er doch ziemlich sicher, dass sie sich verirrt hatten.
    Er rief sich die Landkarte in Erinnerung, die ihm sein Vorgesetzter bei MIDNIGHT zur Vorbereitung seiner Mission gegeben hatte. Avery Shaw hatte dafür gesorgt, dass Zack alles zur Verfügung stand, was er für den Einsatz benötigte. Lagepläne des Gefängnisses. Karten von der Umgebung. Hintergrundberichte über die Angestellten von
Lockdown
. Und über die Insassen.
    All diese Dinge nützten ihm einen verdammten Dreck in dieser Situation, in der er die Hand kaum vor Augen sah.
    Doch Zack wusste, dass in diesem Teil von Idaho die meisten Stürme aus nordwestlicher Richtung kamen. Er und Emily liefen gegen den Wind an, sodass sie vermutlich in Richtung Nordwesten gingen. Er erinnerte sich an eine Notiz auf der Landkarte, die auf eine verlassene Skihütte irgendwo in dieser Gegend hinwies. In den 1960er Jahren war sie sehr beliebt gewesen, war nun aber schon lange unbewohnt. Hoffentlich war das alte Gebäude noch nicht zerfallen. Und wenn er und Emily wirklich Glück hatten, würde dort kein Empfangskomitee von
Lockdown
lauern, um sie niederzuschießen.
    Einen knappen Meter vor sich sah er Emily, die gegen den Wind und den tiefen Schnee ankämpfte. Obwohl sie körperlich in relativ guter Verfassung zu sein schien, war sie doch schmaler als er und hatte zudem eine Schusswunde. Er konnte sich nur ansatzweise vorstellen, wie strapaziös dieser Marsch für sie war.
    „Ich glaube, vor uns liegt eine alte Skihütte“, schrie er laut, damit sie ihn trotz des tosenden Windes hörte.
    „Du meinst die alte
Capello Hills Lodge
?“
    „Steht sie noch?“
    „Gerade so. Ich habe sie nie gesehen, aber ein paar Kollegen haben dort im letzten Sommer bei einer Klettertour Station gemacht.“
    Zack musterte sie verstohlen. Sie stand nur einen Meter entfernt, dennoch konnte er in dem dichten Schneegestöber ihre Silhouette kaum erkennen. Gefährliche Bedingungen selbst für die erfahrensten Outdoor-Spezialisten. Innerhalb von nur einer Sekunde konnten sie getrennt werden und sich nicht wiederfinden. Im günstigsten Fall hätte er sie beide mit einem Stückchen Schnur verbunden. Da er jedoch dies nicht hatte, wählte er die nächstbeste Lösung.
    „Gib mir deine Hand!“, rief er und ging auf sie zu.
    Trotz der schlechten Sicht konnte er ihr das Erstaunen vom Gesicht ablesen. „Was?“
    „Damit wir uns nicht verlieren.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, griff er nach ihrer Hand.
    Sie zog sie kurz zurück, doch dann entspannte sich ihre Hand in der seinen. Ihre Haut fühlte sich wie Eis an. Mein Gott, sie war schon fast erfroren.
    Er hätte gern etwas getan, um sie warm zu halten, konnte sie aber nur mit sich ziehen und zu einem schnelleren Tempo animieren. „Wir sollten uns beeilen“, sagte er und betete innerlich, dass er die Hütte fand, bevor es zu spät war.
    Die Morgendämmerung zeigte sich als dunkelgrauer Streifen am Horizont. Das Licht erinnerte an eine partielle Sonnenfinsternis und verbesserte die Sicht nur unwesentlich. Noch immer fiel dichter Schnee, sodass man kaum weiter als einen Meter sehen konnte. Wenn er nicht die leichte Richtungsänderung des pfeifenden Windes bemerkt hätte, wäre Zack direkt an der Capello Hills Lodge vorübergelaufen. Aber aus zwanzig Metern Entfernung nahm er den Unterschied war, wo der Wind um den Verandavorbau peitschte. So hatten sie schließlich doch noch den Unterschlupf gefunden, den sie so dringend benötigten.
    „Jackpot“, stieß Zack hervor.
    Emily hinkte schon seit etwa einer Stunde hinter ihm her. Zack hoffte, dass ihre Erschöpfung und das langsame Tempo auf die schlechten Bedingungen zurückzuführen waren und nicht auf die Schusswunde. Obwohl er nach den Erfahrungen der letzten Monate nicht sehr gut auf Vollzugsbeamte zu sprechen war, wollte er nicht, dass ihr etwas zustieß. Den Tod einer Frau auf dem Gewissen zu haben war schon mehr als genug …
    Rasch verbot sich Jack jeden Gedanken an die Vergangenheit und führte Emily zu der Senke unterhalb der Veranda, wo die Hütte den besten Windschutz bot. Die Capello Hills Lodge war offenbar einmal ein Prachtbau gewesen, hatte ihre besten Tage jedoch schon lange hinter sich. Die glaslosen Vorderfenster waren mit Sperrholzplatten vernagelt worden, die inzwischen

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