Starters
mit Gänseblümchen. Das erinnerte mich an unser früheres Gästezimmer, das Mom mit so viel Liebe dekoriert hatte.
Ich warf einen Blick auf das Abendessen, das sie neben meinem Bett abgestellt hatten: Kartoffelsuppe, Käse und Cracker. Ich war fast zu müde, um noch etwas zu mir zu nehmen.
Aber nur fast.
Ich aß die Suppe und den Käse, wickelte jedoch die Cracker in eine Serviette, um sie Michael und Tyler mitzubringen. Später, wenn sie mich hier entließen.
Erst beim Erwachen am nächsten Morgen stellte ich fest, dass in diesem nachgeahmten Gästezimmer etwas Entscheidendes fehlte. Ein Fenster. Denn als ich die Baumwollvorhänge über meinem Bett teilte, erschien dahinter nichts als eine Wand.
Ich ging zur Tür und presste mein Ohr dagegen, hörte aber nur das geschäftige Summen eines Bürogebäudes. Als ich versuchte, sie einen Spalt zu öffnen und nach draußen zu spähen, begriff ich, dass sie zugesperrt war. Mein Herz klopfte schneller bei dem Gedanken, dass ich hier gefangen war. Ich atmete einige Male tief durch und redete mir dann ein, dass die Tür zu meinem Schutz verschlossen war.
Ich trug noch den weißen Schlafanzug, den jemand am Abend zuvor auf dem Bett bereitgelegt hatte. Nun öffnete ich den Kleiderschrank, um zu sehen, ob er etwas zum Anziehen enthielt.
Stattdessen erblickte ich mich selbst. In einem großen Spiegel, der an der Innenseite der Schranktür befestigt war.
Ich keuchte.
Ich war schön.
Es war immer noch das Gesicht mit den Augen meiner Mutter und der Kinnlinie meines Vaters, aber es sah anmutiger aus als je zuvor. Meine Haut schimmerte makellos glatt. Meine Wangenknochen waren stärker betont. Das Zauberwort hieß Geld. Mit den nötigen Mitteln konnte sich offensichtlich jedes Mädchen in so einen Menschen verwandeln. Ich trat näher an den Spiegel heran und blickte mir selbst in die Augen, noch smoky vom Make-up des Vortags.
Was würde Michael sagen, wenn er mich so sah?
Meine Aufmerksamkeit wandte sich dem Schrankinhalt zu. Ein Gewand hing an einem Bügel. Ein Krankenhaushemd.
Doris sperrte die Tür auf und trat näher. Sie trug einen Hosenanzug mit breitem Gürtel und ein allzu freundliches Lächeln.
»Guten Morgen, Callie.« Ihr Blick glitt prüfend über mein Gesicht. »Gut geschlafen?«
»Sehr gut.«
»Das Team hat ganz hervorragende Arbeit geleistet.« Sie untersuchte kurz meine Haut, lehnte sich dann an die Wand und begann mit den Nägeln dagegen zu trommeln, eine Angewohnheit, die mich bereits jetzt zur Raserei brachte. »Kümmern Sie sich nicht um Ihr Make-up. Das erneuern wir später. Kommen Sie jetzt.«
Mein Magen knurrte. Ich stellte fest, dass das Tablett mit dem Abendessen verschwunden war. Wann hatten sie es geholt?
»Doris?«
Sie blieb stehen. »Ja, Liebes?«
»Gibt es bald Frühstück?«, erkundigte ich mich.
»Oh, Schätzchen, Sie können sich alle Ihre Lieblingsspeisen wünschen. Später.« Sie strich mir über das Haar.
Seit dem Tod meiner Mutter hatte das niemand mehr getan. Damit berührte sie einen wunden Punkt. Meine Augen füllten sich mit Tränen.
Doris beugte sich lächelnd über mich. »Vor der Operation dürfen Sie allerdings nichts mehr essen.«
Ich starrte die Decke an, als sie mich auf einer Krankenliege einen endlosen Korridor entlang rollten. Ich hatte die Operation aus meinen Gedanken verbannt, aber nun ließ sie sich nicht mehr verdrängen. Ich hasste Nadeln, hasste Skalpelle, hasste es, in Narkose versetzt zu werden und keine Kontrolle mehr über mich zu haben. Vielleicht wussten sie das, denn sie hatten mir bereits ein Beruhigungsmittel verpasst. Die Muster an der Decke verschwammen und flossen ineinander.
Tinnenbaum hatte so getan, als sei der Eingriff eine Kleinigkeit. Aber wenn ich die Gespräche der Chirurgen im Vorbereitungsraum richtig deutete, handelte es sich um eine durchaus komplizierte Angelegenheit. Leider war ich zu benommen, um mir die Einzelheiten einzuprägen.
Der Ender-Pfleger, ein schlanker, gutaussehender Mann, lächelte mir zu, während er meine Liege durch den Gang schob. Täuschte ich mich, oder hatte er Eyeliner aufgetragen?
Das Ganze war einfach verrückt. Normalerweise bekam ich schon schwitzende Hände, wenn mir eine Impfung bevorstand. Und jetzt unterzog ich mich freiwillig einer Operation.
Einer Gehirnoperation wohlgemerkt.
Eigentlich der Körperteil, der mir bis jetzt keinerlei Probleme gemacht hatte. Kein Mensch jammerte über zu viel Fett im Gehirn. Kein Mensch beschwerte sich, dass
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