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Staustufe (German Edition)

Staustufe (German Edition)

Titel: Staustufe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Reichenbach
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weitergebracht.»
    Winter wünschte sich, die Aksoy würde nicht zu allem Übel auch noch mit der Moralkeule kommen. Frauen! Wirklich. Da kam ihm eine Idee. Er beugte sich über den im Raum stehenden Computer und rief einen Internet-Buchhändler auf.
    «Das gibt’s doch nicht!», rief er. «Jetzt sehen Sie sich das an! Genau vor drei Tagen ist ein neues Buch von Guido Naumann erschienen. Titel: Liebe den Tod. Der Mann benutzt uns für Werbung, genau wie ich sage.»
    «Okay. Das tut er vielleicht. – Sind Sie wieder bei mir?»
    «Ähm, ja», antwortete Winter abwesend.
    «Wissen Sie, was ich die ganze Zeit denke?», begann die Aksoy.
    «Was denn?»
    «Also, entweder es war der Naumann. Dann ist er ein Psychopath. Ansonsten könnte der jetzt nicht so cool sein. Oder – oder das Mädchen hat sich selbst umgebracht.»
    « Was? » Winter glaubte sich verhört zu haben. «Entschuldigung, Frau Aksoy, aber sind Sie noch ganz bei Trost? Wie stellen Sie sich das denn vor?»
    Vor zwei Stunden hatte sie noch von einem satanistischen Ritualmord gefaselt. Die Frau machte ihn ganz kirre.
    Aksoy schluckte.
    «Wir haben uns doch so gewundert», sagte sie, «warum das Mädchen dem Angriff nicht ausgewichen ist. Als hätte sie gar nicht ausweichen wollen . Und das kann doch eigentlich nur sein, wenn es entweder Suizid war oder Tötung auf Verlangen.»
    «Aber Frau Aksoy! Ich bitte Sie! Man sticht sich doch nicht in den Bauch, wenn man –»
    «Doch, manchmal schon. Die alten Römer haben sich in das eigene Schwert gestürzt. Bei den Japanern gibt es Harakiri. Angeblich überdeckt der Schock in den ersten Sekunden den Schmerz, sodass man fast nichts spürt und noch in der Lage ist, den Schnitt zu Ende zu führen.»
    «Ja, ja. Und nachdem sie sich erstochen hatte, hat das Mädchen sich selbst noch einen großen Stein aufs Gesicht gehauen. Am Ende ist sie dann die Treppe zur Staustufe hochgelaufen und hat sich ins Wasser gestürzt. Frau Aksoy, das ist doch lächerlich.»
    «Ja und nein. Mir ist der Ablauf auch nicht in allen Einzelheiten klar. Aber – es hat mir zu denken gegeben, was wir heute Abend am Main beobachtet haben. Dieser Typ, der da auf der Brüstung balancierte und mit seinem Leben spielte. Es gibt doch in manchen Kreisen von Jugendlichen eine Verherrlichung des Todes. Und irgendwie gehörte das Mainmädchen wohl zu diesen Kreisen. Suizidal war sie wahrscheinlich ohnehin. Jedenfalls, wenn sie dieses Borderline-Syndrom hatte. Vielleicht hat ihr ja jemand geholfen, hat sie hinterher in den Main geworfen, weil sie das so wollte. Beim Harakiri gibt es auch immer einen Helfer. Das heißt übrigens eigentlich gar nicht Harakiri, sondern Seppuku.»
    «Ach, Aksoy, hören Sie doch auf mit Ihren Geschichten. Was tut denn das jetzt zur Sache?»
    «Sorry, Herr Winter, ich rede wirr. Mir schwirrt ein bisschen der Kopf. Aber das Wichtigste hab ich noch gar nicht gesagt. Also, was mir klargeworden ist, als ich diesen jungen Mann am Rand der Betonplattform gesehen habe: Wenn er da runtergestürzt wäre, hätte er sich womöglich das Gesicht verletzt. Falls er weiter unten auf einem Vorsprung aufgeschlagen wäre, meine ich. Wir müssen uns diesen Vorbau an dem Pfeiler der Staustufe noch mal ansehen. Es könnte doch sein, dass die Gesichtsverletzungen des Mainmädchens aus einem Sturz resultieren. Ob sie nun selbst gesprungen ist oder ob sie jemand geworfen hat.»
    Winter war baff.
    Hatten Sie diese simple Erklärung für die Gesichtsverletzungen übersehen? Er spürte, dass etwas daran nicht stimmte. Aber er konnte den Denkfehler nicht festmachen. Mental notierte er, Butzke, den Rechtsmediziner, morgen zu kontaktieren und zu fragen, ob eine solche Erklärung für das zerschlagene Gesicht möglich wäre.
    Winter fröstelte, wenn er an seinen Vorgesetzten dachte. Fock würde schäumen, wenn er von den Entwicklungen hörte. Der Erste Kriminalhauptkommissar rechnete natürlich damit, den Fall morgen früh in trockenen Tüchern ordentlich verpackt in seiner Mailbox zu finden, sodass man die Ermittlungen endgültig einstellen könnte und sie beide wieder seiner geliebten SoKo Krawatte zur Verfügung stünden. Doch nun hatten sie Guido Naumann nicht zum Reden gebracht. Und die Aksoy machte hier ein komplett neues Fass auf.
    Die Aksoy brachte den ganzen Ablauf durcheinander. Sie hätten den Naumann niemals verhaften oder auch nur vernehmen dürfen, bevor sie aus der Genetik Sicherheit betreffs der Wolldecken hatten. Wenn man eindeutige

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