Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Augenblick.
***
Jenseits der Dünen, entlang des Küstenverlaufs, kündigte sich die Sonne am östlichen Horizont an. Im Lager der Alliierten machten sich die Frauen daran, die Kühe zu melken und Teig zu kneten, während ein Stück weiter entfernt die Hunde der Offiziere den Morgen mit ihrem Gebell ankündigten. Steel erhob sich und streifte sich sein Hemd über. Seine Muskeln waren immer noch verspannt, seine geschundenen Knochen schmerzten, und die Narben auf seinem Rücken verheilten nur allmählich. Er meinte, dass er sich bei der Tortur eine Rippe gebrochen hatte, und beschloss, den Verband nicht abzunehmen, den Louise Huber ihm angelegt hatte. Ein wenig zu beherzt schlüpfte er in die mit Brokat verzierte blaue Weste und spürte, dass die noch offenen Wunden schmerzten. Ein scharfes Stechen durchzuckte ihn, als er die Weste zuknöpfe.
Sein Blick fiel auf Henrietta, die noch schlief und sich eine Decke bis über die Ohren gezogen hatte. Steel stieg erst in die Hose und dann in die Stiefel, ehe er nach dem schweren roten Uniformrock griff, der an einem Haken hing.
Henrietta regte sich. »Jack, bist du das?«
Er beugte sich zu ihr hinunter, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. »Pssst, Liebling. Schlaf noch. Ich bin gleich zurück, versprochen. Ich wurde zum Herzog bestellt. Wir sehen uns später am Morgen.«
Sie lächelte, hatte die Lider noch geschlossen und kuschelte sich wieder in die Decke. Steel richtete sich auf, nahm den Gürtel mit dem Degen, wobei er achtgab, nicht zu viel Lärm zu machen, und ging zum Zeltausgang. Dort drehte er sich noch einmal um, genoss den Anblick der schlafenden Schönheit in seinem Nachtlager und nahm den Hut von dem kleinen Tisch. Entschlossen trat er hinaus in die blasse Dämmerung und schwor sich, die Welt von einem Schurken wie René Duguay-Trouin zu erlösen.
14.
Mit dem kleinen, scharfen Messer, das er eigens für diesen Zweck aufbewahrte, zerschnitt Marlborough das Fleisch eines reifen Granatapfels und schob sich ein Stück davon in den Mund, ehe er sich die Lippen mit einem weißen Tuch abtupfte. Nachdenklich kaute er und meinte, während er sich ein zweites Stück abschnitt: »Ihr sagtet, Ihr hättet einen Weg gefunden, in die Stadt zu gelangen, Captain Steel? Seid Ihr sicher, dass er brauchbar ist?«
»Ganz sicher, Euer Hoheit. Es handelt sich um ein kleines Schlupftor auf der nordwestlichen Seite der Befestigungen. Es ist so klein, dass es kaum auffällt. Durch diesen Ausgang konnten wir fliehen, Sir.«
Marlborough schluckte die zerkaute Frucht herunter und schenkte Steel ein Lächeln. »Ja. Das habt Ihr sehr gut gemacht, die Befreiung von Lady Henrietta. Ihre Majestät wird Euch dankbar sein. Sehr gut, Steel. Aber zurück zum Ausfalltor. Ihr seid also sicher, dass es sonst nicht benutzt wird?«
»Ja, Mylord. Wir mussten uns den Weg erst freischlagen. Aber der Tunnel ist noch genauso brauchbar wie zu Vaubans Zeiten.«
Der Herzog lachte. »Ich muss bekennen, Ihr gebt mir immer wieder Anlass zur Freude, Captain Steel. Ihr findet nicht nur einen geheimen Zugang zur Zitadelle, Ihr nutzt auch noch einen von Vaubans Einfällen in der Verteidigungsstruktur.« Er gab ein Glucksen von sich und wandte sich an Hawkins, der ebenfalls im üppig ausgestatteten Zelt des Herzogs saß und einen Pfirsich verspeiste. »Ist das nicht die Ironie des Krieges, Hawkins? Der große Festungsbaumeister – das Genie – trägt zum Untergang seiner eigenen Landsleute bei, wie?«
Der Colonel konnte nicht antworten, da er gerade das Obst aß und sich den Saft von den Mundwinkeln tupfen musste. Daher nickte er bloß und verengte die Augen wie bei einem Lächeln.
Doch Marlborough wurde schlagartig ernst und blickte Steel fest an. »Im Ernst, Captain, Ihr habt Euch tapfer geschlagen. Ich hörte von Colonel Hawkins, dass Lady Henrietta in Sicherheit ist und dass es ihr trotz der schrecklichen Erlebnisse den Umständen entsprechend geht.«
»Ja, Sir. Sie ist in Sicherheit. Ich habe mir erlaubt, sie persönlich zu beschützen.«
Marlborough zog eine Braue hoch und wischte sich die klebrigen Hände an einer Serviette ab. »Ist das so, Steel? Wie edelmütig von Euch.« Der Tonfall und die nachfolgende Pause beunruhigten Steel ein wenig. Doch das Lachen des Herzogs löste die Spannung. »Wie dem auch sei. Ich vertraue darauf, dass Ihr wisst, was Ihr tut, Captain Steel. Ihr solltet Euch jedoch in Erinnerung rufen, wer Euch bei Hofe für diese Pflicht empfohlen hat. Wie, Hawkins? Habt Ihr
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