Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
wie Henry Hansam auf einem Bein balancierend dastand und seinen rechten Stiefel leerte. Ein übler Fluch entfuhr dem Lieutenant. »Dieser elende Sand«, schimpfte er. »Kommt überall rein. Ich wäre heilfroh, wenn wir diesen Ort bald verlassen könnten, Jack. Seebrise hin oder her.«
Steel richtete derweil seinen Degengürtel und schlang sich die Muskete über die Schulter, die er kurz zuvor geladen hatte. »Dein Wunsch dürfte bald in Erfüllung gehen, Henry. Wie spät ist es bei dir?«
Hansam zog sich den letzten Stiefel an und griff dann in seine Westentasche, um die kleine Sprungdeckeluhr herauszuangeln. »Gleich vier, Jack. Wir müssen bald los, in einer Stunde wird es hell.«
»Zeit genug für eine kleine Ansprache, meinst du nicht?«
Hansam nickte. Steel wandte sich an Slaughter. »Sergeant, die Männer sollen sich um mich scharen. Und sie sollen sich rühren.«
Die Kompanie hatte vorerst in einer Senke einer Düne Stellung bezogen, etwa eine halbe Meile von den Befestigungen entfernt. Hier waren sie vor dem Wind geschützt und konnten von keiner feindlichen Wache entdeckt werden. Steel stellte sich auf einen großen Stein, der einst das Fundament eines schon lange eingestürzten Hauses gebildet hatte, und schaute hinab auf die Männer, die sich im Schein einiger Laternen versammelten. Fünfzig Mann, wie Marlborough ihm aufgetragen hatte. Slaughter hatte dafür gesorgt, dass alle Veteranen anwesend waren. Männer wie Dan Cussiter, inzwischen Corporal, oder Matt Taylor, der selbst ernannte Apotheker der Kompanie. Hart gesottene Kämpfer wie Mackay, Tarling und Milligan. Des Weiteren Henderson, der Junge vom Grenzland, Jock Miller aus Dumfries und der schlaksige Athlet Jeremiah Thorogood, der beste Cricketspieler des Regiments. Und all die anderen zuverlässigen Jungs.
Nur zögerlich hatte Steel zugestimmt, dass auch Hansam und Tom Williams mitkamen. Die restlichen Soldaten seiner Kompanie hatte er Robert Melville zugeteilt, dem befehlshabenden Offizier der 4. Kompanie. Für den Fall, dass die Grenadiere furchtbar dezimiert zurückkämen, sollten sie sich in Melvilles Kompanie eingliedern. Denn die bevorstehende Mission war gefährlicher als alles, was Steel und seine Männer bislang in Angriff genommen hatten. Er wusste, dass die Chance, bis in die Stadt zu gelangen, bei fünfzig Prozent lag. Ihm war aber auch klar, dass es in Marlboroughs gesamter Armee keine Abteilung gab, die besser für diese Aufgabe geeignet gewesen wäre.
Steel nahm seinen Dreispitz ab, klemmte ihn sich unter den Arm und begann: »Männer. Heute wird uns die große Ehre zuteil, den Angriff einzuleiten und der Belagerung ein Ende zu bereiten.«
Leise Hurrarufe kamen von weiter links. Steel lächelte und nickte in Richtung der Männer. »Danke, McLaurence. Ihr alle wisst so gut wie ich, was das bedeutet. Einige von Euch kämpften mit mir beim Schellenberg und in Blenheim. Andere griffen mit uns bei Ramillies an. Ihr alle wisst, was es heißt, eine befestigte Stadt zu stürmen. Was es bedeutet, der ›Stoßtrupp‹ zu sein. Aber dieser Angriff wird anders sein als alle früheren Attacken, die wir eingeleitet haben. Wir müssen heimlich vorrücken, wir müssen leise sein und vor allem schnell. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Ich war bereits in der Stadt und bin dort auf den Feind gestoßen. Und daher kann ich Euch versichern, dass dieser Tag nicht leicht werden wird. Aber wir wurden vom Herzog persönlich mit dieser Aufgabe betraut, und diese Ehre nehmen wir dankend an. Das Schicksal des Krieges liegt nun in unserer Hand, Jungs. Vergesst das nicht und gebt euer Bestes. Und denkt vor allem immer daran, dass wir Grenadiere sind.«
Slaughter hatte den Männern zwar eingeschärft, still zu sein, doch hier und da waren gedämpfte Jubelrufe zu hören. Steel lächelte und setzte sich den Hut wieder auf. »Die Offiziere auf ihre Positionen, Sergeant zu mir.«
Auf einen geflüsterten Befehl hin stellten die Soldaten sich in zwei Reihen auf und marschierten linker Hand durch eine Senke, die zwischen den Dünen verlief.
Um nicht von den Wachtposten auf den Wehrgängen entdeckt zu werden, gab es nur einen Weg, um die Schlupftür zu erreichen, und der führte entlang des Küstenverlaufs. Glücklicherweise war Ebbe; doch der Sand war weich unter den Stiefeln, hier und da schimmerten noch Wasserlachen. Die Grenadiere sanken bis zu den Knöcheln ein, und bald schon waren ihre weißen Strümpfe durchnässt. Zwei Männer fluchten.
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