Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
letzten Befehl. »Granaten … werfen!«
Mit fließenden Bewegungen schleuderten die Grenadiere ihre Bomben über die Barrikaden in die Linien der Franzosen. Die Zündschnüre waren exakt bemessen, und die Granaten waren kaum inmitten der dicht gedrängt stehenden Feinde gelandet, als sie auch schon explodierten. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Schrecken verfolgte Steel, wie die Splitter der Eisenhüllen umherflogen und die Umstehenden zerfetzten oder auf unaussprechliche Weise verstümmelten. Ein Blick nach links verriet ihm, dass die Grenadiere unter General Argyll in der Mitte der Brigade ebenfalls erfolgreich gewesen waren. Als sich der Rauch allmählich verflüchtigte, sah er, dass der Herzog auf eine der Barrikaden kletterte, den Degen emporgereckt. Zu Steels Schrecken wurde Argyll erst von einer, dann von einer zweiten Kugel getroffen, aber auf wundersame Weise schien er unverletzt zu sein.
»Grenadiere, mir nach!«
Jetzt war keine Zeit mehr für die Bajonette, und das wussten Steels Männer. Keiner rührte seine Muskete an, ein jeder zog stattdessen den kurzen Infanteriesäbel, der für den Nahkampf gedacht war. Dann, mit Schlachtrufen auf den Lippen, erklommen sie die Befestigungen und warfen sich auf die Reste der arg dezimierten französischen Infanteristen. Unmittelbar vor Steel sank ein gegnerischer Soldat, dessen weißer Uniformrock blutgetränkt war, auf die Knie und flehte um sein Leben. Steel drängte an ihm vorbei, doch Augenblicke später hörte er, wie einer seiner Grenadiere den Mann mit einem gezielten Säbelstreich tötete. Jetzt war keine Zeit für Gnade.
In Steels unmittelbarer Nähe schienen die meisten Verteidiger sich zurückzuziehen. Weiter vorn, ein wenig rechter Hand, erblickte Steel die Kirche am Ende einer schmalen Straße. Davor stand ein massives Aufgebot rot uniformierter Soldaten, zwei Glieder tief, die Augen auf Steels Männer gerichtet: Nach Steels erster Schätzung nicht weniger als zwei Kompanien. Die Uniformröcke waren mit Gelb abgesetzt, über ihren Köpfen wehte eine seidene Fahne. Ein rotes Kreuz auf weißem Grund – Engländer.
Unterdessen marschierte eine weitere Abteilung links von den Rotröcken eine andere Straße herauf. Sie trugen dunkelblaue Uniformen, die Steel von den Niederländern kannte. An der Spitze dieser Männer gewahrte er die Gestalt von Major van Cutzem. Wie es dem Mann gelungen war, das Dorfzentrum vor Argyll und Steel zu erreichen, wusste Gott allein. Aber dort kam der Major, mit seinem Code der Ritterlichkeit und anderem Zeremoniell.
Doch Steels Verstimmung verwandelte sich in Belustigung, als er sich bewusst machte, dass der niederländische Offizier sich um seinen Ruhm betrogen fühlen würde. Denn das Dorf war ja längst von einem englischen Infanterieregiment erobert worden, wie Steel sah.
»Schaut Euch das an, Jacob«, rief er Slaughter zu. »Wie es scheint, kommt unser Freund Major van Cutzem ein wenig zu spät. Er konnte das Dorf nicht einnehmen. Die anderen sind ihm zuvorgekommen. Jetzt werden wir unseren Spaß haben.«
Der Sergeant spähte derweil die Straße hinunter in Richtung der zwei Kompanien, die zu beiden Seiten der Kirche Aufstellung genommen hatten. Sein Lachen wich schierem Entsetzen. »Großer Gott. Schaut doch, Sir! Die Standarte! Das sind keine Engländer, Mr. Steel. Die Männer dort sind Iren!«
Ungläubig betrachtete Steel erneut die Symbole auf der Fahne. War ihm da etwas entgangen? Gott, Slaughter hatte recht! Es gab kein Vertun: Ein rotes Kreuz auf weißem Grund, doch dort in der Mitte eine goldene Harfe. Das war kein Georgskreuz, sondern die Fahne eines irischen Regiments.
»Wir müssen ihn warnen, Jacob!«
Doch seine Rufe verklangen. Alles war in kürzester Zeit vorüber.
Tatenlos mussten Slaughter und Steel mit ansehen, wie die Schulter an Schulter stehende irische Infanterie mit einer perfekt abgestimmten Salve das Feuer auf die verwirrten Niederländer eröffnete. Für einen Moment war die Straße in weißem Qualm verschwunden. Sowie die Schwaden sich verzogen, drehte sich Steel der Magen um. Die Salve der Iren hatte die Niederländer aus so kurzer Distanz getroffen, dass kaum eine Kugel ihr Ziel verfehlt hatte. Über sechzig Mann der niederländischen Infanterie lagen tot oder sterbend auf dem Kopfsteinpflaster, und dorthinten, an der Spitze der Abteilung, konnte Steel den Blondschopf von Major van Cutzem erkennen.
Slaughter spie aus. »Armer Teufel. Er hat’s zu spät gemerkt.«
»So viel zu
Weitere Kostenlose Bücher