Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
Zumindest hielten sich hier die führenden Köpfe der Bewegung auf, die »Offiziere«. Die anderen Mitglieder lebten verstreut in der Stadt oder auf Gehöften im Umkreis von Ostende. Aber Marius und seine beiden Vertrauten bildeten das Herzstück der Bewegung, waren Inspiration und Ansporn für andere. Sie waren keine bewaffneten Aufwiegler und sahen wahrlich nicht aus wie Revolutionäre. Im Übrigen wussten die städtischen Behörden überhaupt nichts von der Bewegung, soweit Marius das beurteilen konnte. Aber vielleicht würden sie bald, wenn die Zeit es verlangte, zu den Waffen greifen müssen.
Marius nickte seinen Freunden zu. »Wir haben nicht viel Zeit. Wir brauchen einen Plan für den Fall, dass die Briten die Stadt einnehmen.« Die beiden sagten nichts, und Marius achtete erst jetzt auf den Ausdruck auf ihren Gesichtern. Schrecken. Angst. Furcht grub sich in seinen Magen. »Was ist los? Ist irgendetwas passiert? So sprecht doch.«
Der Mann schaute ängstlich zu der Frau und wandte sich dann an Marius. »Wir müssen sofort handeln. Die Briten werden das Feuer auf die Stadt eröffnen. Vielleicht noch heute Abend.«
»Woher weißt du das, Hubert? Wer hat dir das gesagt? Bist du sicher?«
Hubert Fabritius nickte. Als Angestellter eines Anwalts war es nicht seine Art, Dinge in die Welt zu setzen, die er nicht sicher wusste. »Kein Zweifel, Marius. Der Spion – de Groot – hat es mir erzählt. Erst vor zwei Stunden. Er meinte, er habe die Information von einem Offizier der Rotröcke. Es wird in den nächsten Stunden geschehen.«
Marius schaute zu der jungen Frau hinüber, Louise Huber, eine ausgebildete Chocolatière , deren göttliche Kreationen insbesondere bei den Franzosen in der Garnison großen Anklang fanden. Er kannte Louise von Kindheit an und würde ihr immer vertrauen, so wie sie ihm. Sie schwieg. Tränen schimmerten in ihren Augen. Schließlich nickte sie kaum merklich.
Marius nahm den Blick von ihr und starrte ins Leere. »Also gut. So sei es. Wir müssen zurück nach Hause, damit alle rechtzeitig Schutz suchen können.« Er hielt verunsichert inne. »Aber haben wir überhaupt einen Plan? Die Briten könnten schon in wenigen Stunden in der Stadt sein.«
»Ist das denn so wichtig, Marius?«, fragte Louise. »Wenn es so kommt, wären die Franzosen besiegt. Dann ist immer noch Zeit für Pläne.«
»Meinst du nicht, dass wir uns einen Plan zurechtlegen sollten? Müssen wir nicht über Bedingungen der Kapitulation nachdenken? Oder darüber, wie wir uns im Fall einer Besetzung zu verhalten haben? Lasst uns wenigstens eine Petition an Marlborough verfassen. Wir müssen Anführer ernennen.«
»Du bist unser Anführer.«
»Gut. Aber was ist mit den anderen?«
Louise, die schulterlanges braunes Haar hatte und ein einfaches Baumwollkleid und ein Schultertuch trug, legte ihm eine Hand auf den Arm und warf ihm einen Blick aus ihren hübschen grünen Augen zu. »Mach dir keine Sorgen, Marius. Viel wichtiger ist es, dass du zu Berthe und den Kindern zurückkehrst. Du weißt, dass wir dir vertrauen. Wir sind davon überzeugt, dass du weißt, was zu tun ist, wenn die Zeit kommt.«
***
Steel stand auf der höchsten Düne an der Straße, die zu dem geschlossenen Westtor von Ostende führte, und schaute hinaus aufs Meer. Allmählich ärgerte er sich über den Enthusiasmus, den der junge Mann an seiner Seite an den Tag legte. Immer wieder zeigte er aufgeregt aufs Wasser.
»Seht Ihr, Sir? Das ist mein Schiff, die Triton. Und dort drüben liegen die Bombarden. Man kann sie gerade so erahnen, Captain. Seht Ihr, wie tief sie im Wasser liegen? Das sind die Salamander und daneben die Blast . Was für eine Ehre, den Beschuss leiten zu dürfen! Sehen sie nicht blendend aus? Nun, die Salamander ist ein älterer Lugger, das gebe ich zu. In Dienst gestellt im Jahre 1687. Aber das andere Schiff ist eine echte Schönheit. Da werdet Ihr mir zustimmen. Schaut, sie ist ein als Bark geriggtes Schiff. Was sagt Ihr dazu, Sir?«
Steel schwieg, lächelte aber und nickte bloß. Dann suchte er den Blick seines Freundes Hansam, der eben erst die Düne erklommen hatte, und zog eine Braue hoch. Hansam fing den Blick seines Kameraden ein und lächelte. Wie es schien, war der ehrenwerte Captain George Forbes aus der Royal Navy Ihrer Majestät in seinem Element. Der Admiral hatte ihn hier zur Küste beordert, damit Forbes den Beschuss der Bombarden leiten konnte; Forbes erachtete es offenbar als Privileg, mit dieser Aufgabe betraut
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