Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
flüstern konnte: »Geht weiter, Matt. Geht mit den anderen. Ich finde Euch.«
Taylor lächelte und ließ Steel sacht gegen die Hecke sinken. »Bei allem Respekt, Sir, aber ich glaube, dazu seid Ihr nicht in der Lage. Und falls Euch meine Meinung interessiert, ich glaube nicht, dass die Jungs mich im Augenblick brauchen.«
Steels Blick schweifte in Richtung der fliehenden Franzosen. Der Boser Couter wimmelte nur so von grauen Uniformen der Niederländer und Dänen.
Erst da setzte der stechende Schmerz ein.
***
Anderthalb Meilen von dem Gemetzel entfernt, vor einer Schänke auf dem Marktplatz von Huysse, schritt Marschall Vendôme in seinem mit Blut bespritzten und verdreckten Uniformrock erbost auf dem Kopfsteinpflaster auf und ab und schickte einen losen Stein mit einem Tritt klickernd über den Boden. Das Dorf lag idyllisch auf einer bewaldeten Anhöhe, und an jedem anderen Tag hätten die Vögel in den Zweigen der Erlen gezwitschert. Das Läuten der Kirchturmuhr zeigte halb neun an, und im Licht des dunstigen Abends waren die Sonne und der Mond am sich verdunkelnden Himmel auszumachen. Derweil färbten sich tiefer in der Ebene bei Oudenaarde die beiden Wasserläufe, die in die Schelde mündeten, rot von Blut.
Eine Reiterschar trabte auf den Marktplatz. Der heiße Atem der Tiere war in der Abendluft zu spüren. Der Herzog von Burgund ließ seinen Hengst in der Obhut eines Stallburschen und kam gemessenen Schrittes auf den Marschall zu.
»Wir können sie nicht mehr aufhalten. Die Armee ist vollkommen eingekesselt. Jetzt kann uns nur noch die Dunkelheit retten. Ich …«
Vendôme unterbrach ihn unwirsch. »Warum habt Ihr meinen Befehl nicht ausgeführt? Um fünf Uhr gab ich die Order, mit Eurem Flügel – mit Eurem gesamten Flügel, bestehend aus fünfunddreißigtausend Mann – die rechte Flanke der Alliierten anzugreifen. Warum habt Ihr diesen Befehl nicht befolgt?«
»Der Duc de Puységur ließ mich wissen«, erwiderte der Herzog, »das Gebiet, durch das wir vorrücken sollten, sei morastig. Er betonte, die Alliierten seien nicht in der Lage, diese Stelle zu überwinden, und wir ebenso wenig.«
»Aber Ihr hattet einen Befehl!«
»Ich habe einen Boten entsandt …«
»Ich habe keine Nachricht von Euch erhalten.«
»Ich versichere Euch …«
»Ihr braucht mir nichts zu versichern, Monseigneur. Vergesst nicht, Königliche Hoheit, dass Ihr Euch dieser Armee unter der Bedingung angeschlossen habt, meinen Befehlen Folge zu leisten. Mit welchem Recht und in wessen Namen habt Ihr meine Order missachtet?«
Der Herzog von Burgund schüttelte den Kopf. »Marschall Vendôme, vergesst Euch nicht. Ihr mögt ein Marschall Frankreichs sein, doch ich bin ein Prinz königlichen Geblüts.«
Vendôme fixierte ihn aus verengten Augen. »Hier jedoch, Monseigneur, ist es mein Blut, auf das es ankommt. Und das Blut jener Männer dort unten, die für Euch und den König sterben. Wir können an diesem Tag keinen Sieg mehr erringen, Euer Hoheit. Wir müssen uns zurückziehen und uns neu formieren. Uns bleibt allein die Hoffnung, dass wir morgen noch einmal in die Schlacht ziehen können.«
Jemand hüstelte vernehmlich. Vendôme drehte sich um. »D’Evreux?«
»Hoheit, wenn ich so kühn sein darf. Ich bin nicht davon überzeugt, dass die Armee noch die Kraft und Konstitution besitzt, sich am morgigen Tag in irgendeiner Weise im Kampf hervorzutun. Auch an keinem der folgenden Tage.«
Du Capistron setzte nach. »Monseigneur, wir haben die Schlacht verloren. Die Armee ist in Auflösung.«
»Ich habe keine Armee vernichtet«, entgegnete der Herzog trotzig. »Das war Puységurs Fehler. Er hat die Schlacht verloren.«
Vendôme schwieg mit verkniffener Miene und schaute einen nach dem anderen eindringlich an, ehe sein Blick in die Ferne schweifte. Schließlich ging er ein paar Schritte zu einem der Fachwerkhäuser und drückte mit der flachen Hand gegen das Mauerwerk. Halb zu den Männern gewandt, sprach er: »Dies ist ein trauriger Tag für Frankreich. Und ein trister Tag für uns alle … Also dann, meine Herren. Wie mir scheint, ist es Euer Wunsch, sich für die Nacht zurückzuziehen. So sei es.« Er drehte sich zum Herzog von Burgund um. »Und ich weiß, Monseigneur, dass dies schon lange Euer Wunsch ist.«
Ehe der Prinz von Frankreich seiner Entrüstung Ausdruck verleihen konnte, hatte Vendôme sich bereits wieder seinem Stab zugewandt. »Schickt Nachrichten an die Kommandeure, die uns noch geblieben sind: Rette sich,
Weitere Kostenlose Bücher