Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Glimmen wie in den Augen eines Fuchses, der ahnungslose Hühner stellt, die sich in seinen Bau verirrt haben. Dreimal schlug der Riese mit der Hand auf den Tisch, und der Lärm um ihn herum ebbte ab. Nur die Zecher, die unmittelbar an der Theke lungerten, plapperten weiter.
»Frisches Blut. Ich riech’s. Seh’s. Frisches Blut im Königreich der Bummelanten.« Er kniff die Augen zusammen. »St. Colombe, seid Ihr das? Wer ist Euer Freund dort? Einer Eurer Jungen? Hättet Ihn nicht hierherbringen brauchen. Wir hätten uns schon um ihn gekümmert!« Er lachte über seinen eigenen Scherz, worauf seine Gefährten ebenfalls in lautes Gelächter ausbrachen.
»Mein lieber Kaiser«, erwiderte Simpson, »geistreich wie eh und je. Aber dies hier ist keiner meiner Jungs, wie Ihr so amüsant bemerkt habt. Nein, dieser Mann hier ist ein Flüchtling, ein Ausgestoßener wie alle hier. Er braucht Hilfe, die er nur von Euch erhalten kann.«
Das Lachen des Kaisers verstummte abrupt. Er erhob sich. Steel war sprachlos, als er sah, wie groß der Mann war. Selbst einen Grenadier wie ihn überragte er noch um einige Zoll. Er war wirklich ein Riese, mit kräftigen Armen und einem gehörigen Wanst, den er sich auf Kosten seiner Opfer angefressen hatte. Er schüttelte den kahlen Schädel.
»Wirklich, St. Colombe, Ihr amüsiert mich. Wir haben eine Abmachung. Ihr sorgt dafür, dass ich Waren erhalte, und im Gegenzug kümmere ich mich darum, dass Ihr lästige Beweise loswerdet. So lautet unser Abkommen, und bislang lief es gut. Aber jetzt kommt Ihr und bittet mich um einen Gefallen. Und da irrt Ihr Euch, mein Freund. Dies hier ist kein Kloster. Oder, Freunde?« Er wandte sich den versammelten Zechbrüdern zu, die zu johlen begannen. Einer der Männer am Tisch sprang auf, zog sich seinen Mantel über den Kopf, faltete die Hände wie zum Gebet und schritt wie ein Mönch mit Kapuze auf und ab, wobei er sinnlose Gesänge intonierte. »Wie kommt Ihr nur darauf, St. Colombe, dass Ihr Euch in einer Position wähnt, die es Euch erlaubt, mich um einen Gefallen zu bitten?«
»Ich bin selbstverständlich bereit, für diesen Gefallen zu zahlen«, entgegnete Simpson. »Und zwar gut.«
Simpson zauberte eine pralle Börse aus Samt aus seinem Gehrock hervor und warf sie vor dem Hünen auf den Tisch. Mit gierigen Fingern nahm der Kaiser die Börse an sich. »Jetzt sieht die Sache ja schon ganz anders aus.«
»Und ich möchte ankündigen«, fuhr Simpson selbstbewusst fort, »dass ich Euch gegen Ende des Monats zwei junge Männer nennen kann, die ein Bad im Fluss nehmen werden. Ich möchte Euch darüber hinaus mit einem Diener von mir bekannt machen, der sich leider als wenig vertrauenswürdig erwiesen hat. Für den bräuchtet Ihr allerdings Eure besten Leute. Ich werde Euch zu ihm führen und überlasse dann alles Weitere Euch. Bei ihm werdet Ihr gute Beute machen. Übrigens, in diesem Fall dürft Ihr ruhig so grausam vorgehen, wie es Euch beliebt. Ich habe nichts für den Mann übrig. Sorgt dafür, dass der Tod bei ihm nicht allzu schnell eintritt.«
Aha, dachte Steel, der gute Simpson fängt bereits an, seine Rache an Malbec und dessen Helfershelfern zu planen. Zunächst würde er mit Gabriel abrechnen und sich dabei der Diebe bedienen. Nicht zum ersten Mal erkannte Steel, auf welche Weise Simpson das System ausnutzte, das er entworfen hatte und in dem er nun feststeckte – zumindest so lange, bis sich für ihn eine Möglichkeit ergab, nach London zurückzukehren, um seinen Lohn zu erhalten.
Die Augen des Kaisers ruhten nun auf Steel. Der Hüne schien neugierig zu sein, hatte den massigen Kopf schief gelegt und kaute auf einem Pfriem Tabak.
»Und das ist der Mann?«
»Das ist der Mann, von dem ich Euch erzählte. Seinen Namen braucht Ihr nicht zu kennen. Er ist ein tapferer Bursche und hat unter den Bütteln der Behörden gelitten. Seht nur, wie seine Hände und sein Gesicht verunstaltet wurden. Er teilt Euren Hass auf die Behörden. Und jetzt muss er einer von Euch werden. Ein Bettler. Ihr habt Euer Gold. Werdet Ihr Euer Möglichstes tun?«
Der Riese nickte und bedachte Steel und Simpson mit einem anzüglichen Blick. »Für Euch, mein Freund. Nur für Euch.« Seine Augen huschten wieder zu Steel. »Tretet näher, Freund.«
Steel trat in den Schein der Talglichter. Sein Gesicht war immer noch gezeichnet von den Schlägen, sein Hemd dunkelrot von Blut. Seinen Uniformrock trug er nicht mehr, dafür noch die rote Weste. Das allein verriet, dass er
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