Steh zu dir
Das war in Paris die übliche Dinnerzeit, eher sogar etwas früh.
»Perfekt. Soll ich dich im Hotel abholen?«
»Wir treffen uns dort.« Sie war viel unabhängiger als früher, aber auch das gefiel ihm an ihr. »Unter einer Bedingung«, fügte sie plötzlich hinzu.
»Und die wäre?«
»Du machst mir nicht wieder einen Heiratsantrag.«
»Nicht heute Abend. Aber auf lange Sicht verspreche ich das nicht.«
»In Ordnung. Das ist fair.« Ihre Antwort ließ ihn hoffen, dass er sie eines Tages doch überreden konnte. Vielleicht musste sie sich erst wieder ganz von dem Anschlag erholen oder ihr Buch fertigstellen. Eines Tages würde er sie erneut fragen, und dann sagte sie hoffentlich ja. Matthieu war bereit zu warten. Das tat er bereits seit fünfzehn Jahren, da kam es auf ein bisschen länger nicht an. Aufgeben würde er jedoch nicht, gleichgültig, was sie sagte.
Pünktlich um neun hielt ihr Wagen vor dem Voltaire. Ihre beiden Beschützer saßen mit im Fahrzeug. Matthieu stand in der Eingangstür und wartete auf sie. Es war eine sternklare Nacht, in der ein eisiger Dezemberwind wehte.
Matthieu küsste Carole zur Begrüßung auf die Wange, und sie lächelte zu ihm hoch. Am liebsten hätte er ihr sofort wieder gesagt, wie sehr er sie liebe. Es kam ihm vor, als hätte er sein Leben lang nur auf sie gewartet.
Im Restaurant herrschte reger Betrieb, und sie setzten sich in eine Ecknische. Ein Kellner brachte ihnen Rohkost mit Dips sowie frisches Brot und Butter.
Bis zum Dessert gelang es ihnen, schwierige Themen zu vermeiden. Als sie dann zum Kaffee Mokkabohnen knabberten, von denen Carole sagte, dass diese sie bestimmt die ganze Nacht wach halten würden, hielt Matthieu es nicht länger aus. Nachdem sie am Nachmittag miteinander telefoniert hatten, war ihm eine Idee gekommen.
»Als ich dich vor langer Zeit kennenlernte, hast du mir gesagt, dass du nichts davon hältst, wenn Leute ohne Trauschein zusammenleben. Du warst der Meinung, dass man sich ganz oder gar nicht aufeinander einlassen sollte. So sehe ich das auch. Aber deine Meinung hat sich offenbar geändert. Was würdest du zu einem Arrangement sagen, bei dem du frei bist, zu kommen und zu gehen, wann immer du willst? Eine Art Politik der offenen Tür.« Er lächelte Carole an, während sie sich noch eine Mokkabohne in den Mund schob. Sie hatte schon genug davon gegessen, um eine ganze Woche wach bleiben zu können. Aber wer brauchte schon Schlaf, wenn die Liebe zum Greifen nahe war?
»Wie muss ich mir das vorstellen?« Carole sah Matthieu gespannt an. Er war in jedem Fall kreativ, außerdem genauso stur und entschlossen wie sie. Diese Gemeinsamkeiten hatten sie damals schon gegenseitig angezogen.
»Keine Ahnung. Ich dachte nur, wir finden vielleicht eine Lösung, die für uns beide akzeptabel ist. Natürlich wäre ich am liebsten mit dir verheiratet. In der Beziehung bin ich altmodisch, und außerdem habe ich mir dich immer zur Frau gewünscht. Aber womöglich brauchen wir diese ganzen Formalitäten nicht mehr, vor allem, wenn du dich dadurch eingeschränkt fühlst. Wie wäre es, wenn du sechs Monate im Jahr mit mir in Paris lebst, und die übrigen sechs ziehe ich zu dir nach L. A.? Du kannst kommen und gehen, wie es dir gefällt, reisen, deinen Projekten nachgehen, Filme drehen, schreiben, deine Kinder besuchen. Ich werde auf dich warten. Würde dir das besser gefallen?«
»Das klingt dir gegenüber nicht fair«, gestand sie ehrlich.
»Was hättest du davon? Du wärst oft allein.« Sie sah ihn skeptisch an, aber er tätschelte ihr die Hand.
»Ich hätte dich, meine Liebe. Das ist alles, was ich will.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ein Zusammenleben ohne Trauschein etwas für mich ist. Damals hat es sich seltsam angefühlt, nicht verheiratet zu sein, vielleicht wäre das jetzt wieder der Fall.« Davon abgesehen schützte sein Vorschlag sie nicht davor, erneut verletzt zu werden. Aber gab es denn dafür Garantien? Wenn sie es riskierte, sich auf die Liebe einzulassen, spielte es keine Rolle, in welcher Form sie zusammenlebten. Andererseits war das, was Stevie ihr an diesem Morgen gesagt hatte, nicht auf taube Ohren gestoßen.
»Was ist denn deine größte Sorge?«, fragte er.
»Ich habe Angst, verletzt zu werden.«
»Ich auch«, gestand er. »Und wir können nie sicher sein, dass das nicht passiert. Aber wenn wir einander lieben, sollten wir das Risiko eingehen. Wir könnten es doch für eine Weile ausprobieren und sehen, ob es funktioniert. Nach
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