Steh zu dir
hat. Du hast mir nie von ihm erzählen wollen«, überlegte Stevie laut, und Carole lachte.
»Sie schießen wie Pilze aus dem Boden: Ehemänner, Liebhaber, geheimnisvolle Franzosen. Er sagte, wir hätten uns geliebt und wollten heiraten. Aber ich erinnere mich an ihn genauso wenig wie an alles andere. Vielleicht ist es in diesem Fall ja besser, die Akte zu schließen. Ich finde ihn ein bisschen sonderbar.«
»Er ist Franzose. Manche sind so«, erklärte Stevie unfreundlich. »Sehr impulsiv. Ist nicht mein Stil.«
»Meiner wohl auch nicht. Aber damals anscheinend schon.«
»Vielleicht hast du mit ihm in dem kleinen Haus gelebt.«
»Mag sein. Anthony wurde richtig wütend, als er ihn hier sah. Und dieser Mann hat auch zugegeben, dass er mich unglücklich gemacht hat«, antwortete Carole nachdenklich.
»Zumindest ist er ehrlich.«
»Wenn ich mich doch nur erinnern könnte!« Carole seufzte.
»Ist dir schon irgendetwas wieder eingefallen?«
»Nein. Nichts. Diese Geschichten finde ich alle sehr spannend, aber es ist so, als ginge es darin um das Leben von jemand anderem. Nach allem, was ich bisher gehört habe, muss ich zu viel gearbeitet haben und war zu selten zu Hause bei meinem Mann. Ich verlor ihn an ein einundzwanzigjähriges Supermodel, die ihn anschließend genauso abservierte wie er mich. Danach verliebte ich mich offenbar in einen Franzosen, der mich unglücklich machte und den mein Sohn hasst. Anschließend heiratete ich einen netten Mann, der viel zu früh starb. Und da wären wir nun.« In ihren Augen lag ein Anflug von Humor, und Stevie lächelte.
»Klingt nach einem interessanten Leben. Ob es wohl noch mehr Männer gab?«
Carole sah sie entsetzt an. »Hoffentlich nicht! Mir langt es schon, über diese drei nachzudenken. Und über meine Kinder.« Sie grübelte immer noch, ob Chloe als Kind zu kurz gekommen war. Das zu klären hatte jetzt Priorität.
Jason war kein Thema mehr, obwohl sie ihn liebte. Sean war tot. Und wer auch immer dieser Franzose sein mochte, sie war lediglich neugierig, welche Rolle er in ihrem Leben gespielt hatte, aber mehr nicht. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass es in diesem Fall besser sei, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Sie brauchte nicht noch mehr traurige Erinnerungen, davon schien es schon genug zu geben.
Zusammen mit der Krankenschwester half Stevie ihr dann aufzustehen. Carole musste wieder anfangen, laufen zu lernen.
Sie war erstaunt, wie schwer ihr das fiel. Als hätten ihre Beine vergessen, wie sie ihren Job zu erledigen hatten. Carole kam sich vor wie ein Kleinkind, das herumstolperte, hinfiel und üben musste, selbstständig aufzustehen. Aber dann schien ihr Motor anzuspringen, und sie ging – noch unsicher und gestützt von Stevie und einer Schwester – auf dem Flur spazieren. Es war harte Arbeit. Carole war am Abend erschöpft und schlief ein, kaum dass sich Stevie verabschiedet hatte.
Anthony rief wie versprochen aus New York an, sobald er dort eingetroffen war. Er war immer noch wütend auf Matthieu.
»Er hat nichts bei dir im Krankenhaus verloren, Mom. Er hat dir das Herz gebrochen. Wegen ihm sind wir damals aus Paris fortgezogen.«
»Was hat er getan?«, fragte Carole, aber Anthony war damals ja noch ein Kind gewesen.
»Er war gemein zu dir und hat dich zum Weinen gebracht.« Es klang so simpel, dass sie lächeln musste.
»Jetzt kann er mir nicht mehr weh tun«, versicherte sie ihrem Sohn.
»Und wenn doch, bringe ich ihn um.« Anthony konnte sich nicht an Einzelheiten erinnern, aber seine Abneigung gegenüber diesem Mann hatte mit der Zeit nicht abgenommen. »Sag ihm, er soll verschwinden.«
»Sollte er gemein zu mir sein, lasse ich ihn rauswerfen. Das verspreche ich dir.« Aber vorher wollte sie mehr erfahren.
Zwei Tage nachdem Jason und Anthony abgereist waren, kündigte Mike Appelsohn an, dass er nach Paris käme, um Carole zu besuchen. Er hatte täglich angerufen und mit Stevie gesprochen. Sie hatte ihm erzählt, dass Carole mittlerweile zwar kräftig genug sei für Besuche, sie in ein paar Wochen aber ohnehin wieder in L. A. sein würden. Aber bis dahin wollte er nicht warten und nahm die nächste Maschine. Carole war für ihn wie eine Tochter.
Mike Appelsohn war ein attraktiver, stattlicher Mann mit lebhaften Augen und einem dröhnenden Lachen. Er hatte viel Sinn für Humor und produzierte seit fünfzig Jahren Filme. Zweiunddreißig Jahre war es her, dass er Carole in New Orleans entdeckt und überredet hatte, zu Probeaufnahmen nach
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