Stein und Flöte
Leuten, auf den sein Vater einschrie. Trotz seines Widerwillens gegen eine solch geräuschvolle Redeweise ließ er sein Pferd stehen und lief ins Haus, um zu sehen, was sich dort in der Gerichtsstube abspielte.
Sein Vater saß breit und behäbig hinter dem Gerichtstisch, und man konnte ihm anmerken, daß er das erzene Dröhnen seiner gewaltigen Stimme durchaus genoß, während er die drei mageren, etwas O-beinigen Männer, die zwischen ein paar Fraglunder Bauern ziemlich verschüchtert vor ihm standen, nicht aus den Augen ließ und weiter auf sie einbrüllte: »Halsabschneider seid ihr von jeher, wenn nicht auf die eine, dann auf die andere Art! Und jetzt womöglich auch noch Spione. Aber hier bei uns in Fraglund weiß jeder, was er von euch zu halten hat. Oder könnt ihr mir auch nur einen Menschen nennen, der sich für euch verbürgt?«
Von den Fraglunder Bauern war solche Hilfe kaum zu erwarten; sie waren es wohl gewesen, die diese Händler vor den Richter geschleppt hatten. Jedenfalls senkten die drei nur die Köpfe und gaben keine Antwort. Da sagte Lauscher von der Tür her: »Ich verbürge mich für diese drei Männer von Arnis Leuten.« Obwohl er nach seiner Gewohnheit ziemlich leise gesprochen hatte, wendeten sich jetzt alle in der Gerichtsstube ihm zu und blickten ihn überrascht an.
Der Große Brüller stand hinter seinem Tisch auf und fragte nach dem Gerichtsbrauch: »Wer bist du, daß du hier als Bürge auftreten willst?« Doch noch während er diese Worte sprach, brach durch die grimmige Miene des Gerichtsherrn jäh die Freude des Wiedererkennens. »Lauscher!« rief er, lief mit einer Behendigkeit, die man dem schweren Mann kaum zugetraut hätte, zur Tür und umarmte seinen Sohn.
Gerührt von diesem Ausbruch väterlicher Liebe erwiderte Lauscher die Umarmung, obgleich ihm unter dem Ansturm solch gewaltsamer Zärtlichkeit fast die Luft wegblieb. Schließlich schob ihn sein Vater auf Armeslänge von sich und betrachtete ihn. »Du siehst ja fast aus wie ein Mann!« sagte er in seinem brüllenden Baß, und als er merkte, wie Lauscher unter seinen Händen zusammenzuckte, mäßigte er seine Stimme und setzte etwas leiser hinzu: »Ich freue mich, daß du endlich wieder da bist.«
»Ich freue mich auch«, sagte Lauscher ein wenig außer Atem. »Offenbar bin ich gerade im rechten Augenblick gekommen.«
»Im rechten Augenblick?« fragte der Große Brüller, und als er bemerkte, daß Lauscher zu den Händlern hinüberschaute, sagte er schon wieder ein wenig lauter: »Es sollte doch wohl ein Scherz sein, daß du für diese Beutereiter bürgen willst!«
»Nein, Vater«, sagte Lauscher leise, aber durchaus bestimmt. »Das meine ich ernst. Außerdem sind das, soweit ich sehen kann, keine Beutereiter.« Er machte sich von seinem Vater los und ging hinüber zu den drei Männern. »Ihr gehört doch zu Arnis Leuten?« fragte er. Einer der drei verbeugte sich vor ihm und antwortete: »Ja, wir sind Händler aus der Ansiedlung von Arnis Leuten. Mein Name ist Tangli, und meine beiden Begleiter heißen Lungi und Flangi.« Während er ihre Namen nannte, verbeugten sich auch die beiden anderen.
»Warum hat man euch vor den Richter gebracht?« fragte Lauscher.
Tangli zuckte mit den Schultern. »Es muß sich wohl um ein Mißverständnis handeln«, sagte er. »Wir haben versucht, mit einem ehrenwerten Bauern aus diesem schönen Dorf Geschäfte zu machen. Unser Ungeschick mag daran schuld sein, daß dieser Mann sich übervorteilt fühlte. Er rief seine Nachbarn herbei, darunter auch einen, der im Gesicht die Narben eines tüchtiges Kriegers trägt. Offenbar hatte er seine Tapferkeit in den Kämpfen gegen die Beutereiter bewiesen; denn er hielt uns wegen unseres Aussehens für verkleidete Mitglieder der Horde und brachte uns zusammen mit den anderen vor den Großen Brüller, dem Arni Weisheit schenken möge.«
»Ich werde für euch bürgen«, sagte Lauscher. »Weit im Westen habe ich mit einem eurer Händler gesprochen, der mir von der Großen Scheidung zwischen den Beutereitern und Arnis Leuten berichtet hat.«
»Willst du mir sagen, wie jener Mann hieß?« fragte Tangli.
»Sein Name war Günli«, sagte Lauscher.
Tangli schien sichtlich erregt, als er diesen Namen hörte, und auch seine beiden Gefährten verfolgten jetzt gespannt das Gespräch. »Günli kehrte von seiner Reise zurück, ehe wir uns auf den Weg machten«, sagte Tangli. »Er berichtete, daß er unterwegs den Träger des Steins gefunden habe. Hat dich der
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