Steine der Macht - Band 5
der Mann gefesselt?“
„Das ist eine abscheuliche Kreatur, der hat viele unschuldige Leute auf dem Gewissen, wir haben ihn sozusagen aus dem Verkehr gezogen“, gab Wolf zur Antwort.
Mit finsterer Miene meinte Weber: „Soll der General ein Exekutionskommando für seine Erschießung bereitstellen?“
„Nein danke, wir haben uns eine spezielle Strafe für diesen Wicht ausgedacht, er soll ja schließlich für seine Taten noch büßen können“, entgegnete Wolf.
Weber nickte nur und fragte: „Und wer ist diese junge Frau?“ Claudia schaute ihn an und klärte den Obersturmbannführer über die Umstände auf, welche zur Verhaftung und Folterung dieses armen Geschöpfes geführt hatten. Im Anschluss meinte sie: „Können Sie die Wunden an ihren Knöcheln in Ihrer Sanitätsstation versorgen lassen? Und wäre es möglich, dass wir sie danach wieder zurückbringen in ihren Heimatort? Aber sicherheitshalber zehn Jahre später, denn ab dieser Zeit gab es hier keine Hexenverfolgungen mehr.“
„Das wird sich bestimmt machen lassen“, antwortete der Obersturmbannführer und rief nach einem Sanitäter, welcher die Frau in Begleitung von Claudia und Elisabeth in einen anderen Raum führte.
„Wir werden den Gerichtsdiener jetzt nach Salzburg bringen“, sagte Wolf.
Herbert und Peter nahmen den Schörgen Toni in ihre Mitte und gingen mit dem gefesselten Peiniger von Moosham durch das Dimensionstor nach draußen, wo Wolfs Wagen ganz in der Nähe des Baches stand. Der Kofferraum wurde geöffnet und der kleine, hässliche Richter hineingeworfen. Sie fuhren mit ihm bis in die Altstadt von Salzburg und blieben in Sichtweite des Domes stehen. Peter und Herbert holten den Gefesselten heraus und nahmen ihm die Handschellen ab. Es war gerade ein Nachmittag in der Festspielzeit und die Aufführung des weltbekannten Schauspiels „Jedermann“ auf dem Platz vor dem Salzburger Dom war voll im Gange. Der Schörgen Toni, der immer noch von Herbert und Peter festgehalten wurde, konnte von Weitem die Schauspieler in ihren alten Gewändern auf der Bühne vor der imposanten Kathedrale sehen. Wolf stellte sich hinter den Gerichtsdiener. „Geh Er hin und kehre Er niemals wieder, sein Schicksal wird sich nun erfüllen“, sagte er zu ihm in verheißungsvollem Ton und wie auf ein Stichwort ließen die beiden Freunde den Schörgen Toni laufen. Dieser sah sich noch einige Male wie ein gehetztes Tier um, ob ihm ja niemand folgen würde, und verschwand schließlich in der Menge. Dann aber rannte er direkt auf die Bühne zu. Über die hölzerne Stiege erklomm er das riesige Podest und lief die dort aufgebaute, prunkvolle Festtafel entlang, bis ans andere Ende, wo eine Truhe stand. Er streifte in seiner Hektik einige der dort sitzenden Mimen, welche dadurch sogar ihr Getränk in den Bechern verschütteten. Diese Szene wurde mit einem erstaunten Raunen der Zuschauer auf den Rängen kommentiert. Keiner, auch nicht die Darsteller selbst ahnten, dass diese Gestalt mit ihrem angesengten Gewand nicht zum Schauspiel gehörte. Als er sich auf die Truhe setzen wollte, sprang plötzlich der Deckel der Kiste auf und der Teufel stand vor ihm – der Leibhaftige mit Pferdefuß und Hörnern. Der Schörgen Toni schrie auf und lief entsetzt über eine hölzerne Treppe in Richtung des Domeingangs hinunter, bis zwei Requisiteure, die offenbar doch bemerkt hatten, dass er nicht zum Ensemble gehörte, ihm nachrannten. Der Gerichtsdiener hetzte in den Dom hinein und rief mit krächzender Stimme nach dem Erzbischof. Schaurig hallte es im großen Mittelschiff der Kathedrale: „Mein Fürst, ich rufe Euch!“ Er war außer Atem und der Schweiß rann ihm über sein pockennarbiges Gesicht. Der Dom zu Salzburg sah aber anders aus, als er ihn in Erinnerung hatte. In der Nähe des Hauptaltares angelangt, erblickte er einen Abgang. Vorne links führte eine Treppe hinunter. Ohne zu zögern lief er darauf zu.
Die beiden Verfolger kamen immer näher an den Schörgen Toni heran, der geradewegs in die Krypta des Domes hinunterstolperte. Hier unten war es hell erleuchtet, obwohl weder Fackeln noch Öllichter zu sehen waren.
So etwas hatte er noch nie erblickt. Schließlich gelangte er in einen Raum, in welchem Marmortafeln an den Wänden die Grabstätten der Erzbischöfe kennzeichneten. Das hatte er bei seinen Besuchen in Salzburg bisher nicht gesehen. Das musste der Erzbischof neu errichtet haben. Dann entdeckte er eine Tafel auf der stand:
Hieronymus Josephus
Ex Comtibus
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