Steinhauer, Franziska
entsetzliches Unglück und Leid über uns kommen.“ Sie starrte mit schreckgeweiteten Augen auf die Mischung aus Wurzeln und Glas. Klapproth wurde klar, dass Amalia tatsächlich an das glaubte, was sie vorhersagte.
„Ihre Aufgabe hier ist so gut wie beendet. Nehmen Sie die beiden Jungs, nach denen sie suchen, sofort mit nachKöln. Vielleicht können Sie dann die Katastrophe noch abwenden. Und passen Sie gut auf sich auf, auch sie schweben in großer Gefahr!“, warnte sie eindringlich mit schleppender Stimme, als sei sie in Trance. Dann wischte sie mit einer heftigen Bewegung Scherben, Kräuter und Wurzeln vom Tisch. Nur die Uhr blieb zurück.
„Woher haben Sie all diese Informationen? Wir haben niemanden über unsere Ermittlungen hier informiert!“ Klapproth warf der eigenartigen Frau einen kritischen Blick zu.
Amalia sah ihrer Besucherin nun direkt in die Augen. „Sie vergessen, dass ich sehen kann! Aber selbst ohne diese Fähigkeit wäre es ein Leichtes gewesen, von Ihren Absichten zu erfahren. Im Dorf wird viel und gerne getratscht!Schnappen Sie sich die beiden, packen Sie Ihre Sachen, und fahren Sie noch heute nach Köln zurück. Das Böse wird dieses Tal verschlingen, und es ist nicht gut, zwischen die Fronten zu geraten!“
Irritiert steckte die Kripobeamtin ihre Uhr in die Hosentasche und stand auf.
Amalia begleitete sie bis zur Tür.
„Es brodelt im Ort, und der Odem des Hasses vergiftet das Denken der Menschen. Leider ist unser Pfarrer schwach. Es wird ihm nicht gelingen, die Gemüter zu beruhigen. Hier gab es schon zwei Morde, die nie geklärt, Mörder, die nie entdeckt wurden. Solche Täter gewinnen an Selbstvertrauen und morden bei der nächsten Gelegenheit ohne Bedenken.“
Und als Klapproth schon das Zaungatter hinter sich geschlossen hatte, rief Amalia ihr noch nach:
„Die Gefahr lauert auch in Köln! Ich sage Ihnen das, weil Sie mir sympathisch sind und ich Sie retten möchte, denkenSie daran! Meine Visionen treffen immer ein. Geben Sie Acht!“
Traurig sah Amalia ihr nach. Hilde schien den Kummer ihres Frauchens zu bemerken und setzte sich winselnd neben ihr auf die Schwelle. Mechanisch streichelte die Seherin über den Kopf des Tieres. Egal ob die Fremde ihr nun glaubte oder nicht. Das Grauen hatte schon begonnen, war längst nicht mehr aufzuhalten, und Amalia ahnte, dass sie selbst darin umkommen würde.
32
Commissario Mendetti musste enttäuscht feststellen, dass ihm die Überraschung nicht gelungen war.
Nocturnus erwartete seinen Besucher bereits und war offensichtlich auch über alles, was im Dorf vor sich ging, bestens informiert.
„Nun, ich bin nicht sehr erstaunt darüber, dass Sie Ihr Weg direkt zu uns führt, Commissario“, erklärte der Sektenführer ruhig, während er seinem Gast einen Kaffee einschenkte. „Ich bin nur etwas enttäuscht, weil ich mir gewünscht hätte, dass die Polizei davon ausgehen würde, dass wir so etwas wohl kaum tun würden. Es ist nicht das, was wir unter einer vertrauensbildenden Maßnahme verstehen.“
„Nun ja, Sie werden doch wohl einräumen, dass den Satanisten ein gewisser Ruf vorauseilt, und im Dorf kam es noch nie zu einem vergleichbaren Vorfall. Es darf Sie daher nicht verwundern, wenn Sie als ,Neuankömmlinge‘ unter Verdacht geraten.“
Nocturnus kraulte den Kopf von Jeffrey Dahmer, der genussvoll die Augen schloss und laut zu schnurren begann.
„Ich möchte nicht verhehlen, dass die Belästigungen Ihrer deutschen Kollegen uns in unserem Entschluss bestärkten, Köln den Rücken zu kehren. Wir dachten, nach den betrüblichen Erfahrungen in der Rheinmetropole hier unsere Ruhe zu finden. Aber offensichtlich hat auch die italienischePolizei nicht genug Sachverstand, um zu erkennen, wie harmlos wir im Grunde sind.“
„Harmlos sind Sie und Ihre Anhänger schon deshalb nicht, weil allein die Anwesenheit Ihrer Gruppe für erhebliche Unruhe sorgt“, gab Mendetti freundlich lächelnd zurück und versuchte, sich von dem eisigen Blick des Priesters nicht irritieren zu lassen.
„Ein so kleiner Ort leistet sich gleich mehrere unaufgeklärte Morde. Vielleicht liegt die Unruhe eher darin begründet?“, wollte Nocturnus süffisant wissen.
Mendetti ärgerte sich über das maliziöse Lächeln des Satanisten, musste aber eingestehen, dass an seiner Bemerkung etwas Wahres war.
„Wie auch immer, mich interessiert, wo Ihre Anhänger die letzte Nacht verbracht haben.“
„Wir feierten in der letzten Nacht ein Einweihungsritual und
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