Steinhauer, Franziska
nahmen neue Mitglieder in unsere Vereinigung auf. Natürlich waren alle anwesend. Bei solch einer Zeremonie fehlt niemand.“
„Und danach? Sind Sie sicher, dass alle Satansjünger sofort ins Bett gegangen sind?“
„Achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise, Herr Mendetti! Aber ich will Ihre provokant gestellte Frage dennoch beantworten – zum Zeichen dafür, dass wir zur Zusammenarbeit bereit sind. Alle Mitglieder kehrten mit mir ins Haus zurück und feierten dort die Aufnahme der Neumitglieder. Da niemand mehr ausgehen wollte, schaltete ich persönlich die Alarmanlage ein, die uns vor zudringlichen Annäherungen der Menschen aus dem Dorf beschützen soll. Niemand hat das Haus danach verlassen.“
Nocturnus begleitete seinen Besucher zur Tür. „Vielleicht sollten Sie einmal im Dorf nach demGrabschänder suchen. Von den Dörflern war nämlich kaum einer in seinem Bett. Sie lungerten hinter unserem Schuppen herum und warteten darauf, ihre Sensationslust befriedigen zu können. Doch außer der beißenden Kälte und ein paar Wortfetzen werden sie dort nichts von Bedeutung gefunden und gehört haben! Jeder der Lauschenden kann die Grabschändung begangen haben, jeder, der zu jener Zeit angeblich allein zu Hause war! Das gesamte Dorf! Jeder!“, lachte der Priester dröhnend, bevor er die Tür hinter Mendetti schloss.
Zur selben Zeit traf Pfarrer Gabriel Weißgerber seine Vorbereitungen, um das Grab der kleinen Rosa erneut zu segnen. Er nahm eine Schwenkkugel mit Weihrauch sowie eine Bibel aus der Sakristei mit. Als er aus der Kirche trat, fiel sein Blick auf das Widum. „Herr, schütze deine Gemeinde vor dem Bösen, das damals durch die Bluttat in St. Gertraud einziehen konnte! Gib, dass keine neuen Mordtaten auf die erste folgen! Der nicht entlarvte Täter liegt wie eine Zentnerlast auf den Menschen – hilf ihnen, auf dem Pfad des Glaubens zu bleiben und nicht fehlzugehen!“ Rasch bekreuzigte er sich und wandte sich dann in Richtung Friedhof.
Am Grab hatten sich Freunde der Familie zusammen mit dem Vater versammelt. Susanne hatte einen Zusammenbruch erlitten und war nicht in der Lage, der Segnung beizuwohnen. Kaum hatte der Seelsorger die Wartenden erreicht, als er auch schon die feindselige Stimmung wahrnahm, die sich unter ihnen ausgebreitet hatte wie eine eitrige Infektion.
„Der Herr spricht: Mein ist die Rache!“
Eisiges Schweigen antwortete ihm.
„Der Herr will nicht, dass seine Herde zum willenlosen Spielzeug des Hasses wird – und sei euer Zorn noch so berechtigt. Niemand weiß, wer das Grab dieses viel zu früh verstorbenen Mädchens auf so schauerliche Weise entweiht hat, doch der Herr behält sich vor, den Schuldigen zu finden und gebührend zu strafen. Er hält nichts von Selbstjustiz!“
„Ach ja, Hochwürden? Wie können Sie in diesem Fall so sicher sein? Vielleicht ist diesmal alles anders, und Gottes Wille sieht vor, dass diese Gemeinde sich wehrt?“ Berta funkelte den Pfarrer böse an. „Manche im Ort haben alles dafür getan, den Götzen Mammon bei uns zu etablieren! Was wir heute hier gesehen haben, ist das Ergebnis dieser Haltung! Statt gegen das Böse vorzugehen, haben sie auf Profit gesetzt und sich dem Widerstand verweigert!“
„Genau! Knieswein, Höckl, Baumberg, Mühlbauer, Berger, Nagel – sie alle haben schon von jeher an ihr finanzielles Wohl gedacht!“, kreischte die Stimme Rainers über den Gottesacker.
„Der Herr sieht alles, der Herr weiß alles. Er kennt euren Schmerz. Doch würde er euch eine Prüfung auferlegen, der eure Gemeinschaft nicht gewachsen ist? Nein! Er will, dass dieses Dorf in friedlicher und freundlicher Nachbarschaft zusammenlebt! Lasst nicht zu, dass das Böse euer Dorf spaltet!“
„Ich höre immer: das Böse! Das Böse im Dorf hat einen Namen! GUMPER! Kaum zieht dieser Mörder mit seiner Brut hier wieder ein, schon liegen geschächtete Tiere auf frischen Gräbern und der Friedhof ist geschändet!“, kreischte Berta. „Er ist eine Ausgeburt der Hölle!“
„Ihr benehmt euch unwürdig!“, schimpfte der Pfarrer mit den Mitgliedern seiner Gemeinde. „Rosa hat es verdient,eure liebevollsten Gedanken für ihre Reise ins himmlische Reich zu erhalten! Stattdessen sind eure Worte hasserfüllt! Ihr solltet euch wahrhaft schämen! Sammelt euch und sprecht mir nach: Der Herr segne dich, er trage und geleite dich durch Finsternis und über widrige Pfade, er nehme sich deiner Seele an und führe sie in sein Reich!“
Zögernd kam die Versammlung
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