Steinhauer, Franziska
nicht wahr?“, antwortete Mario und verfiel dann in brütendes Schweigen.
Er dachte an den Obdachlosen aus Köln, an das unglaubliche Gefühl der Macht, das sie damals ergriffen hatte, an seine Unterschrift unter den Kontrakt mit dem Teufel und wusste, dass er sein altes Leben nicht zurückhaben wollte – nie mehr, das war sicher!
„Sag mal, wirst du Weihnachten vermissen?“, fragte er nach einer Weile.
„Nein. Irgendwie ist der Gedanke doch cool, dass der höchste Feiertag im Jahr jetzt der eigene Geburtstag ist. Stimmt doch auch, dass die Geburt keines anderen Menschen für einen so wichtig sein kann wie die eigene. Das Gesicht meiner Mutter möchte ich sehen, wenn ihr das jemand sagen würde!“ Julian kicherte albern.
Mario sah auf seine Uhr.
„Wollte Dirk Stein nicht schon längst hier sein? Es ist schon nach vierzehn Uhr. Er hat doch extra darauf hingewiesen, wie lang die Fahrt dauert!“
„Ja, und wir müssen pünktlich zurück sein. Unsere erste Messe als echte Mitglieder! Da sollten wir nicht zu spät kommen! Robert ist auch noch nicht da. Ich weiß ohnehin nicht, wie der uns bei unserem Auftrag helfen soll, mit der Hand!“
„Er wäre bestraft worden, hat er gesagt. Aber es war nicht aus ihm herauszukriegen, wofür. Kevin spricht ja auch nicht darüber, wie er zu seiner Narbe gekommen ist. Dabei wäre es schon interessant zu wissen, wofür man im Einzelnen so zur Rechenschaft gezogen wird. Robert kann ja hier kaum ein Geheimnis ausgeplaudert haben!“
Julian tastete nach der Schwellung in seinem Gesicht. Nocturnus wäre an weiteren Störungen durch die Polizei nicht interessiert, hatte Kevin sie wissen lassen.
Das war deutlich genug gewesen.
„Sag mal, was wird eigentlich aus Yvonne und dir, wenn wir hierbleiben?“
„Yvonne kommt her. Sie will auch ein Kind Lucifers werden. Das geht. Kevin hat gesagt, sie wird dann eine satanistische Hexe. Wir können sogar heiraten und eine richtige Familie gründen“, schwärmte Mario.
„Das mit den Kindern könnte ein Problem werden, oder bilden sich die Hörner erst nach der Geburt aus?“, feixte Julian.
„Hör auf, da kommen Stein und Robert!“
Helene saß im Schrank und dachte nach. Jetzt wäre eine günstige Gelegenheit.
Doch allein der Gedanke verursachte Herzrasen und Schweißausbrüche.
Dabei hatte Amalia einen wirklich freundlichen Eindruck gemacht.
Eine Freundin ihrer Mutter.
Die mir ihr gespielt hatte, als sie noch klein war.
Die ihr Mäuse geschenkt hatte.
Es war so einfach – sie musste es nur tun.
Aus dem Schrank steigen, die Treppe hinuntergehen, zur Haustür hinaus und dann – nein, so weit wagte sie gar nicht zu denken.
Biest winselte vor der Schranktür.
Er hasste es, wenn niemand Zeit für ihn hatte, konnte nicht akzeptieren, dass er Helene hören und riechen konnte, sie sich aber nicht um ihn kümmerte.
Helene lächelte.
Dem kleinen Kerl konnte sie wirklich nicht entkommen. Er stöberte sie überall auf!
Langsam schob sie die Tür auf.
Erwartungsvoll wedelte der Hund mit dem Schwanz und drängte seine feuchte Schnauze in den Spalt. Seine großen, dunklen Augen sahen sie auffordernd an.
„Ach, Biest!“, Helene wuschelte mit allen zehn Fingern durch sein weiches Fell und kraulte ihm hinter den langen Schlappohren. Biests plumper Kopf war zu groß für seinen schmächtigen Körper und die Beine zu kurz, um einen erfolgreichen Jäger aus ihm zu machen. Aber Helene liebte ihn gerade deshalb. Biest war ein Unikat!
Als das Mädchen aus dem Schrank krabbelte, sah der Hund ihr interessiert dabei zu. Kaum stand sie aufrecht, sprang er fröhlich an ihr hoch und bellte aufgeregt.
„Na, mein Kleiner, soll ich dich zu Paula auf den Hof rauslassen?“
Biest antwortete, indem er die Treppe hinunterstürmte. „Warte, ich komme schon!“, rief Helene ihm nach und schlüpfte in ihre Hausschuhe. Vielleicht sollte das ein Zeichen sein – mit Biest gemeinsam? Zwei, um ein Problem zu lösen?
Doch nur wenige Hundert Meter vom Haus entfernt beschlich Helene das unheimliche Gefühl, nicht mehr mit dem Hund allein zu sein. Sie glaubte, hinter sich ein keuchendes Atmen zu hören.
Ihr Gefühl riet ihr – wie immer –, lieber umzukehren, auch wenn keine Gefahr zu sehen war.
Aber im Gegensatz zu sonst ignorierte sie es. Ein fataler Fehler.
Nocturnus wartete ungeduldig.
Beim letzten Einsatz in Köln war es zu Problemen gekommen – er machte sich ernsthaft Sorgen. Wenn die Behörden auch nur den geringsten Hinweis auf eine
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