Steinhauer, Franziska
Trieb, der befriedigt werden muss, dabei ist egal, wer das Opfer ist. Aber eigentlich verwundert es nicht, schließlich ist er der Sohn eines Mörders!“, erklärte Berta den Versammelten.
Zustimmendes Gemurmel antwortete ihr.
Plötzlich schluchzte jemand vernehmlich.
„Was ist denn los?“, fragte Berta ungehalten.
„Unsere Anna trifft sich mit einem dieser Teufelsjungen!
Ich habe mit ihr gesprochen, ihr Strafen angedroht, selbst der Herr Pfarrer hat ihr ins Gewissen geredet, aber es hat alles nichts genützt. Sie ist sogar schon einmal aus ihrem Zimmerfenster geklettert – hat sich regelrecht abgeseilt. Es ist einfach nur entsetzlich!“
„Ich sage euch: Wir müssen diese Ruhestörer loswerden! Diese Mörderfamilie ebenso wie die Teufelsbrut! So kann das doch nicht weitergehen! Je länger wir ihrem Treiben tatenlos zusehen, desto dreister werden sie vorgehen. Muss denn erst einer von uns sterben, bevor etwas unternommen wird?“ Bertas Wangen waren gerötet, und ihre Frisur begann sich aufzulösen.
In die nach ihren Worten entstandene Stille hinein fragte Peter Pumpa leise:
„Reicht es nicht, sie zu vertreiben? Wäre denn etwas gewonnen, wenn einer von ihnen stürbe? Jedes verlorene Leben ist ein Grund zur Traurigkeit, und gerade diese Satansanhänger sind doch noch so jung!“
„Niemand will, dass jemand stirbt!“, beruhigte Annemarie den besorgten Mann. „Wie kommst du nur auf soeinen Gedanken. Unter uns ist doch keiner, der so etwas täte!“
„Oh doch!“, widersprach Berta vehement. „Wir alle wissen, dass es außer den Gumpers noch einen Mörder im Dorf gibt. Tut nicht so scheinheilig, und seht mich nicht so entgeistert an! Er könnte es tun und wüsste in diesem Fall sogar das Dorf hinter sich!“
Einer geheimen Choreographie folgend starrten alle in ihre Teetassen.
In das lang anhaltende Schweigen hinein flüsterte Rainer schließlich erstickt: „Meine Susanne liegt jetzt im Krankenhaus. Sie haben ihr Tabletten gegeben, weil sie einfach nicht mehr aufhören konnte zu weinen. Sie wollte, aber es ging nicht. Der Stationsarzt hat mir erklärt, sie habe Ruhe dringend nötig und man habe dafür gesorgt, dass sie einige Tage mehr oder weniger durchschläft. Damit sie sich nicht umbringt!“
Den letzten Satz hatte Rainer so laut ausgestoßen, dass sogar die Hunde in der Nachbarschaft anfingen zu bellen. „So weit ist es mit dieser Gemeinde schon gekommen, dass meine gläubige Susanne zu solch einer gotteslästerlichen Tat getrieben werden könnte!“
„Das waren diese Sektierer. Bestimmt! Sie versuchen,unsere Seelen zu vergiften, auf dass wir am Jüngsten Tag zu ihnen in die Hölle fahren!“, prophezeite Josephine.
„Nein!“ Bertas Stimme setzte sich problemlos gegen das allgemeine Murmeln durch. „Das waren nicht die Teufelsanbeter! Hätten die ein Schaf auf Rosas Grab geschlachtet, um ihre Seele dem Teufel zu überantworten und unsere zu verwirren, so wäre es ein schwarzes Tier gewesen! Nein! Der Pfarrer versucht mit seinen Erklärungen doch nur, keine weitere Unruhe aufkommen zu lassen! Das war der Gumper!Das war die Tat eines mordgierigen Irren! Bevor der Gumper mit seiner Brut zurück ins Tal gekommen ist, gab es solch einen Frevel nicht!“
Das stimmte, gaben die anderen zu. Es war einzusehen, dass Berta mit ihrer Argumentation Recht hatte.
„Welcher von den Gumpers?“
„Das ist doch im Grunde völlig gleichgültig! Die ganze Familie trägt diese Krankheit in sich. Jakob kennt sich gut im Dorf aus, der Sohn schleicht nachts, wenn alle schlafen, durch die Straßen – das habe ich selbst gesehen! Und die Tochter tut unschuldig und rein. So kommen sie nah an uns heran und können zuschlagen! Mit den Gumpers ist der wahre Teufel zu uns ins Dorf gekommen!“
„Das stimmt!“, rief nun auch Annemarie. „Wir alle wissen, wie listig der Teufel das Antlitz der Harmlosigkeit nutzt, um uns zu täuschen! Viel Falsch ist um die Schwächlichen, die uns andere nur ausnutzen wollen!“
„Dann müssen die Gumpers zuerst verschwinden, und danach nehmen wir uns diese Kinder Lucifers vor!“ Matti schlug so kraftvoll auf den Tisch, dass einige Teetassen zu Boden trudelten.
Peter Pumpa sah den Menschen besorgt nach, die heftig diskutierend sein Haus verließen, und überlegte, was noch geschehen musste, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Bekümmert stopfte er sich seine Pfeife und nahm in seinem gemütlichen Sessel am Ofen Platz.
Während Berta in der Küche mit dem Geschirr
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