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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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bestimmten Entwicklungsphase wird das durchaus so gesehen. Oder: Lass dich nicht ausbeuten! Mal ehrlich, unsere Jugendlichen fühlen sich doch schon als Opfer hemmungsloser Ausbeutung, wenn wir sie bitten, eine Flasche Mineralwasser aus der Speisekammer zu holen. Diese Sekte wird sie aufsaugen wie ein Schwamm, und für eine Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen, sind sie damit verloren“, prophezeite der Lehrer düster.
    „Ich für meinen Teil finde den Gumper für unsere Jugend viel gefährlicher“, mischte der alte Frieder sich ein. „Da kommt ein Mörder mit seiner Brut in unser Dorf zurück und kann, obwohl wir doch alle um seine Schuld wissen, dennoch unbehelligt mitten unter uns leben. Wir sind gezwungen, wehrlos zuzusehen, wie er sich hier häuslich einrichtet! Unsere Jugendlichen erleben, wie Wut und Zorn die Menschen im Dorf zu beherrschen beginnen, sie erfahren die Hilflosigkeit der Polizei und der Dorfgemeinschaft dem gegenüber, der dreist genug frevelt! Was für ein Bild müssen sie von der Gesellschaft gewinnen, in der sie aufwachsen? Frechheit siegt?“
    „Das sehe ich genauso!“ Peter Pumpa stellte klirrend seine Tasse ab. „Der Mörder meiner Tochter muss endlich wieder verschwinden!“
    „Wir sollten Handlungsfähigkeit demonstrieren! Nur so beweisen wir der Jugend im Dorf, dass wir keinen Mörder in unseren Reihen dulden!“, behauptete Michael Hofer und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, als er eisiges Schweigen erntete.
    „Marias Mörder kennen wir jedenfalls. Es gibt keinen Grund, seine Anwesenheit in St. Gertraud weiter hinzunehmen!“, unterbrachen Bertas entschiedene Worte die Stille.
    Frieder hüstelte. „Angenommen, es stimmt, dass der Mörder der Platzgrummer damals aus dem Ort kam, also einer von uns war, der in stillschweigendem Einverständnis mit der Gemeinde den Mord beging, um den welschen Pfarrer wieder zu vertreiben – könnte der Täter von damals dann seinen Mord durch einen zweiten Mord an einem Mörder sühnen?“
    Konsterniert starrte ihn die Versammlung an: „Du? Du hast …“
    „Nein, nein! Natürlich nicht!“ Frieder fuchtelte abwehrend mit Armen und Stock durch die Luft. „Ich doch nicht. Wo denkt ihr hin? Als der Mord im Widum verübt wurde, ging ich an zwei Krücken! Das war kurz nach meinem Reitunfall.“ Er klopfte sich gegen das Knie, das seit mehr als dreißig Jahren steif war. „Es war mehr eine theoretische Überlegung.“
    „Tja, moralisch gesehen ist Mord eben Mord, selbst wenn man eine Person meuchelt, die es verdient hat. Aber die Gerichte würden es vielleicht als mildernden Umstand werten. Auf der anderen Seite wird Lynchjustiz gar nicht gern gesehen.“
    „Die Kirche lässt auch nur eine einzige Variante zu: Mord am Usurpator. Davon kann ja hier wohl keine Rede sein. Außerdem wollen wir niemanden umbringen, nur vertreiben.Ich weiß also gar nicht, wozu wir uns mit diesem Thema beschäftigen!“, warf Peter Pumpa ein.
    „Also ich bin schon der Meinung, dass wir uns damit beschäftigen sollten. Wer weiß, vielleicht planen sie längst, unsere Höfe zu überfallen und unsere Kinder zu verschleppen.“ Lina streichelte selbstvergessen über ihren Bauch.
    „Wo sie Recht hat, hat sie Recht!“, ließ sich Rainer vernehmen. „Ich für meinen Teil habe mein Beil geschliffen und neue Batterien für die Taschenlampe besorgt. Notfalls knall ich den ab, der mein Grundstück in böser Absicht betritt.“
    „Fackeln“, brummte Berta. „Fackeln sind besser – atmosphärisch betrachtet!“
    „Fackeln haben wir im Fundus der Feuerwehr. Die reichen locker für alle. Wir benutzen sie sonst nur beim Feuerwehrfest“, steuerte der Ortvorsteher eifrig bei, und Moretti, der Leiter der Feuerwehrortsgruppe, nickte zustimmend.
    „Wenn wir wenigstens wüssten, wer Helene damals überfallen hat“, meinte Annemarie grüblerisch.
    „Den Überfall kannst du nicht in unsere Überlegungen mit einbeziehen“, gab Berta zu bedenken. „Sie ist ja nicht gestorben, das war kein Mord.“
    „Aber beinahe! Außerdem muss es sich um jemanden gehandelt haben, der ihren Tod mit einkalkuliert hat. Er hat ihr eine spitze Eisenstange bis in den Uterus gerammt – um ein Haar wäre sie verblutet.“ Annemarie ließ sich nicht so schnell von einem Gedankengang abbringen, wenn sie einmal in Fahrt gekommen war. „Kinder wird sie jedenfalls nie bekommen können. Der Täter kam doch auch aus dem Dorf.“
    „Dennoch war es kein Mord“, beharrte Berta,

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