Steinhauer, Franziska
zufriedendarüber, dass sich die Überlegung Mord gegen Mord nun in Windeseile im Dorf verbreiten würde.
„Neulich nachts habe ich Licht im Widum gesehen. Natürlich war nicht die Platzgrummer zurückgekommen, um ihren Mörder zu stellen. Es war einer der Satanisten, der wenig später über den Balkon wieder herausgeklettert ist. Bestimmt, um das Terrain für diese schwarze Messe zu sondieren“, erzählte der Bäcker mit unheimlichem Unterton.
Lina schüttelte sich.
„Du meinst, solch eine Beschwörung funktioniert wirklich? Das könnte aber für den Mörder ziemlich unangenehm werden!“, kicherte Annemarie nervös.
„Und für die Mitwisser auch“, erinnerte Peter Pumpa die Versammelten. „Hier hat doch niemand an die Geschichte mit der Jugendgruppe geglaubt. Von wegen, die sind aus Spaß im Widum eingestiegen, und die Frau hat sich einfach zu Tode erschreckt. Ein von einem anderen Pfarrer organisiertes Ferienfreizeitvergnügen mit schrecklichem Ausgang, das zuletzt als Mord getarnt wurde. Quatsch! Ich sage euch: Wir hängen da alle irgendwie mit drinnen!“
„Vielleicht schweigt der Steinkasserer ja seit all den Jahren, weil er jemanden aus dem Dorf schützen will?“ Frieders Wangen hatten sich gerötet. „Eine schöne Frau?“
„Der Mörder der Platzgrummer soll eine Frau gewesen sein? Das glaube ich nicht!“, mischte sich der Bäcker wieder ein.
„Wir drehen uns im Kreis“, murrte Peter Pumpa. „Das führt zu nichts! Wenn ihr jetzt nach Hause geht, überprüft, ob ihr gerüstet seid, eurem Nachbarn zu Hilfe eilen zu können, wenn er in Not gerät.“
Beim Hinausgehen flüsterte die Buchwalderin Berta ins Ohr: „Uns passiert bestimmt nichts. Der Herr Pfarrer hatunseren Hof gesegnet. Da trauen sich die Jünger des Teufels nicht mehr hin!“ Laut sagte sie: „Wenn jemand Hilfe braucht, soll er sich melden. Und wenn es gegen den Gumper geht, dann auch! Wir sind gerüstet!“
Nicht einer von ihnen ahnte, welche Dimensionen der Schrecken annehmen würde, der über sie alle hereinbrechen sollte.
„So ein Siechtum! Darmkrebs! Das hätte der Herr ihm ruhig ersparen können, wo doch mein Luis immer so ein gottesfürchtiger Mann war!“ Elisabeth ist mit der Pflege des Grabes fast fertig, als Erna kommt.
„Nun, für die Angehörigen ist es nie leicht, wenn jemand leiden muss. Aber man kann sich wenigstens auf das Ende vorbereiten, alles regeln. Sonst gibt es ja doch nur Streitereien.“ Erna ist von jeher vernünftig gewesen. „Aber ein plötzlicher Tod ist für den Betroffenen sicher angenehmer.“
Beide haben das Widum im Blick, wenn sie aufsehen. „Meinst du, wir werden je herausfinden, was in jener Nacht tatsächlich geschehen ist?“
„Zu unseren Lebzeiten wird es wohl ein Geheimnis bleiben“, seufzt Erna resigniert.
„Tja, der Pfarrer Steinkasserer ist noch jung. Manche munkeln, er habe in seinem Testament genau aufgeschrieben, wie es wirklich war.“ Elisabeth bückt sich ächzend und zündet das Grablicht wieder an.
„Mein Richard, Gott hab ihn selig, war der Meinung, der Pfarrer würde auch nach seinem Tod nichts verraten. Wer sein Leben lang schweigt, bewahrt ein so wichtiges Geheimnis auch über das Ende hinaus und spricht nur mit seinem Schöpfer darüber.“ Erna stützt sich auf ihren Stock und zupft ein welkes Blatt ab.
„Mag sein. Nicht einmal seinen Eltern hat er etwas erzählt. Auch nach dem Schuldspruch nicht.“
„Bei der Urteilsverkündung hat er geweint. Irgendwie tat er mir schon leid!“
„Er tut dir leid, weil du denkst, dass er mit dem Mord nichts zu tun gehabt hat. Denen jedoch, die glauben, dass er der Mörder war, tut leid, dass der Schuldspruch wieder aufgehoben wurde!“
„Stell dir nur vor: Ein Mann der Kirche verbüßt vierzehn Jahre Haft! Wie peinlich das gewesen wäre!“
„Und dass der Mörder noch immer frei herumläuft und womöglich in unserer Mitte lebt, das ist dir wohl nicht peinlich?“, empört sich Elisabeth.
„Wir hatten zu jener Zeit jedenfalls keinen Fiat. Aber Luis schon, oder?“, fragt Erna mit geheuchelter Unschuld.
35
„Unsere Anna ist nicht nach Hause gekommen!“
„Hast du schon versucht, sie über ihr Handy zu erreichen?“ Nikola Mendetti legte beruhigend seine Arme um die Schultern der verzweifelten Mutter.
„Das Handy ist ausgeschaltet! Sie sollte mit dem letzten Bus nach Hause kommen. Das war vor mehr als einer Stunde! Da muss etwas passiert sein! Die Anna weiß doch ganz genau, dass wir uns Sorgen machen,
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