Steinhauer, Franziska
Schulleitung?“
Klapproth nickte und fragte: „Wie lautet die offizielle Sprachregelung?“
„Ein Projekt. Der Schulleiter wird den Jugendlichen erklären, dass sie einen Tag sozialen Engagements ableisten müssen. Die kurzfristige Ankündigung soll ihnen die Möglichkeit geben, ihre Flexibilität und Kommunikationsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Sie müssen einen Berichtschreiben und sich den Tag von dem jeweiligen Arbeitgeber bestätigen lassen, der bereit war, sie so kurzfristig für einen Schultag in seinen Betrieb ,hineinschnuppern‘ zu lassen. Hier sei ihre Überzeugungskraft gefragt. Lehrer begleiten einzelne Schüler direkt bei der Suche, mit den anderen halten sie über Handy Kontakt. Die jüngeren Schüler besuchen mit ihren Lehrern das Römisch-Germanische Museum und andere Einrichtungen. Die Schule wird von den Teams der Polizei übernommen und unauffällig abgeriegelt.“
„Und die Schüler nehmen das so hin? Zu meiner Zeit wäre ein Aufruhr entstanden! Nun gut. Wir werden großräumig überwachen lassen. Vielleicht versucht dieser Mario, eine Bombe am Gebäude festzumachen, oder hat dort bereits ein Waffendepot angelegt.“ Dr. Glück überlegte einen Moment und fuhr dann fort:„Beamte in Zivil, zivile Fahrzeuge. Nichts darf auf polizeiliche Aktivitäten hindeuten. Sagen Sie mal, geht nicht auch seine Freundin auf dieses Gymnasium? Wenn er seinen Amoklauf dort … aber dann bringt er sie damit doch auch in Gefahr?“
„Ich gehe davon aus, dass er sie rechtzeitig warnen wird. Das Mädchen könnte sich dann für den Tag einfach krank melden.“
„Ja.“
„Wir wissen doch so gut wie nichts! Wenn er den Anschlag in der Stadt verüben möchte, muss er schon hier sein. Wir vermuten, dass seine Schule das Ziel ist, aber wir wissen es eben nicht mit Sicherheit. Wenn wir uns täuschen, können wir nicht einmal erahnen, wo der Amoklauf stattfinden soll. Ja, wir wissen nicht einmal, ob tatsächlich einer geplant ist!“, fasste Maja Klapproth die Ermittlungsergebnisse übellaunig zusammen.
„Haben Sie denn wenigstens schon eine Nachricht vondiesem Commissario? Es wäre nicht schlecht zu wissen, ob es sich bei dem Toten nun um Julian Baier handelt oder nicht, denn das würde immerhin die Frage beantworten, ob wir es in diesem Fall mit einem Einzeltäter zu tun haben!“
„Nikola Mendetti hat einen DNA-Abgleich in Auftrag gegeben und ihn dringend gemacht. Eine anderweitige Identifizierung war wegen des schlechten Zustands des Toten nicht möglich.“
„Und was sage ich nun Julians Eltern? In einer halben Stunde haben sie einen Termin bei mir.“
„Halten Sie sich einfach bedeckt. Julians Eltern werden wohl kaum mehr wissen als wir.“
Doch das war eine gewaltige Fehleinschätzung.
Verstört zeigte Herr Baier dem Staatsanwalt den Link, den er in seinem Mailfach entdeckt hatte.
„Warum teilt man uns eigentlich nicht mit, dass unser Sohn wieder in Köln ist? Wir haben ein Recht darauf, es zu erfahren! Er ist minderjährig, das scheinen Ihre Beamten immer wieder zu vergessen!“
Dr. Glück hörte seine Worte kaum.
Ungläubig betrachtete er das Bild, das jenem glich, welches Mario in martialischer Positur im Internet zeigte. Nur dass es sich diesmal um Julian handelte. Der Text variierte leicht, die Ankündigung war allerdings auch in diesem Fall eindeutig. Ihnen blieben noch fünfundzwanzig Stunden!
Damit war klar, dass der Tote aus der Etsch nicht Julian Baier sein konnte!
Sie hatten sich getäuscht.
„Wir, die Auserwählten, sind wieder zurück!“, las der Staatsanwalt. „Aber wir sind nicht gekommen, um zu bleiben.Diesmal treten wir endgültig ab, machen uns auf die letzte Reise, und tausend Seelen werden uns begleiten.“
Unter dem Foto, das ein schmales geschwärztes Gesicht zeigte, lief ebenfalls ein Countdown.
Zwei Täter!
Also doch!
Sie würden es gemeinsam tun!
Dr. Glücks Gedanken überschlugen sich. Gab es am Erich-Kästner-Gymnasium überhaupt so viele Schüler? Tausend Seelen, war das eine ernst zu nehmende Zahl oder eher eine Metapher? Wie groß musste die Sprengkraft einer Bombe sein, die ausreichte, um das gesamte Schulgebäude in Schutt und Asche zu legen?
„Herr Baier, Ihr Sohn kündigt hier ein Attentat und seinen Selbstmord an. Wir sollten ihn finden, bevor er seine Pläne in die Tat umsetzen kann!“
„Ach, Herr Dr. Glück! Das ist doch bloß Kinderkram! Er liebt eben die Pose des Freiheitskämpfers! Das sollten weder wir noch Sie überbewerten.“
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