Steinhauer, Franziska
sitzen!“, kommentierte Anton. „Hm“, grummelte Jakob unbestimmt.
„Dr. Gneis hat vielleicht etwas übersehen. Er war von Marias Tod nicht überrascht, also hat er sie auch nur oberflächlich untersucht. Ihr Zustand hatte sich zuvor zwar leicht gebessert, aber bei Krebserkrankungen sind Rückschläge keine Seltenheit“, meinte Anton trocken.
„Wenn es einen Mörder gibt, werde ich ihn finden und mit meinen eigenen Händen zerquetschen!“ Ein zorniges Funkeln stand in Jakobs Augen.
„Im Moment steht es dann aber mindestens eins zu null für den anderen!“
„Das war nur Zufall. Das nächste Mal werde ich besser vorbereitet sein!“
„Immerhin gehst du mittlerweile wenigstens von einem nächsten Mal aus. Du nimmst langsam Vernunft an! Hör zu, Kleiner, ich habe viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Wenn man hier liegt und nicht einmal mehr lesen kann, wandern die Gedanken zu den Rätseln der Vergangenheit zurück, und ich glaube, ich weiß jetzt ziemlich genau, was an jenem schrecklichen Nachmittag in deinem Haus wirklich passiert ist. Ich erzähle dir eine kleine Geschichte. Du kannst sie glauben – oder nicht. Aber wenn du sie glaubst, dann nimm dich vor dem Mörder in Acht, Jakob! Es ist noch nicht vorbei!“
Maja Klapproth schulterte ihr Rad und lief zu ihrer Wohnung hinauf. Es war ein Teil ihres täglichen Konditionstrainings. Wem sollte sie denn nun glauben? Den Eltern, dem Staatsanwalt, der Freundin? Am ehesten noch der Freundin, entschied sie. In Mario und Julians Alter waren die Eltern oft genug diejenigen, die zuletzt von den Problemenihrer Kinder erfuhren. Lag also doch keine Entführung vor?
Ihr Handy klingelte, als sie ihr Rad auf den Balkon schob.
„Nikola Mendetti! Guten Abend, Frau Klapproth.“
„Wie schön, dass Sie sich melden.“
„Nun, ich habe eine interessante Information für Sie.
Wir haben die Mitglieder der Sekte heute unauffällig in Augenschein genommen und Fotos von ihnen gemacht. Auf dem einen ist ein junger Mann zu sehen, den wir für Julian Baier halten“, erklärte die angenehme Stimme mit dem leichten Akzent.
„Das ist ja wunderbar. Dann wissen wir doch jetzt, wo die beiden sind!“
„Das Problem ist nur: Ihr Entführungsopfer bewegt sich frei im Dorf und macht einen sehr entspannten Eindruck.“
„Vielleicht hat man ihm ja gedroht, Mario Hilbrich etwas anzutun, wenn er versucht, jemanden auf seine Lage aufmerksam zu machen.“
„Möglich. Aber müsste er dann nicht bedrückt wirken? Ich glaube, es wäre wirklich eine gute Idee, wenn Sie einfach herkämen. So weit ist es gar nicht.“
„Gut. Ich glaube, das wäre wirklich das Vernünftigste.“
„Dann kommen Sie!“, rief die Stimme erfreut aus. „Es gibt ein Hotel im Ort. Ich buche Ihnen ein Zimmer“, erbot sich der Kollege.
„Wunderbar. Ich kläre die Modalitäten mit dem Staatsanwalt und melde mich wieder!“ Sie fühlte sich plötzlich eigenartig beschwingt und machte, wider besseres Wissen, den Rotwein für den Stimmungswechsel verantwortlich.
Charmant verabschiedete sich Commissario Mendettivon ihr und versprach, ihr das Foto des jungen Mannes zu schicken, damit sie es mit den ihr vorliegenden vergleichen konnte.
Sie wollte gerade das Mobiltelefon wieder in die Tasche gleiten lassen, da klingelte es erneut.
„Oh, hallo Mutter!“, begrüßte sie die Anruferin angestrengt freundlich.
„Guten Abend! Tagsüber bist du wohl für mich nicht mehr zu sprechen, wie?“
„Ich arbeite bei der Polizei Mutter! Da kommt es schon mal vor, dass ich nicht ans Telefon gehen kann oder das Klingeln nicht höre. Dafür gibt es eine Mailbox. Dort kannst du jederzeit eine Nachricht hinterlassen.“
„Oh, das ist wirklich eine segensreiche Einrichtung!“, brauste ihre Mutter auf, und Maja Klapproth schlug das Gewissen. Wie lange war es her, dass sie zum letzten Mal ihren Anrufbeantworter gecheckt hatte?
„Tut mir leid. Ich bin heute noch gar nicht dazu gekommen, meine Nachrichten abzuhören.“ Vielleicht war das auch besser so, denn wenn ihre Mutter anrief, entwickelte sich daraus in der Regel ein konfliktreiches Feierabendgespräch, und Ärger war stets programmiert.
„Gibt es Probleme?“, fragte sie ohne echtes Interesse. „Weißt du, ich denke, Fabian sollte mehr unter Leute gehen. Immer nur mit diesem Tim in der Wohnung, das macht auf Dauer doch depressiv.“
„Und, wie sollen wir das ändern? Ihn ausräuchern?“
„Oh, nun sei nicht schon wieder so patzig! Wie in deiner Pubertät! Du hast
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