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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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hin!“
    Mürrisch kauerte sie sich in eine Ecke und stopfte Kissen und Decke fest um ihren Körper. Heiko sprang ebenfalls zu ihr aufs Bett, und sie gab ihm ein Stückchen der Decke ab.
    „Also, was hast du angestellt?“, fragte sie ungnädig. „Nichts.“
    „Worum geht es dann?“
    „Hele, ich glaube, wir sollten unseren Entschluss von damals noch einmal überdenken“, begann Heiko zögernd.
    „Wie ,überdenken‘?“ Helenes Kopf ruckte zu ihm herum, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Heiko seufzte. Er hatte geahnt, dass es schwierig werden würde.
    Unbewusst stopfte er ein paar Kissen mehr zwischen sich und seine Schwester.
    „Wir haben es uns geschworen!“, erinnerte Helene ihren Bruder eindringlich.
    Heiko nickte bedrückt.
    „Wir haben beide den Mörder gesehen! Wenn wir ihn verraten, werden wir Waisen sein! Ins Heim abgeschoben und voneinander getrennt, werden uns vielleicht nie mehr wiedersehen! Willst du das, Heiko, ja?“, insistierte das Mädchen.
    „Waltraud ist bald ganz allein auf dem großen Hof. Sie könnte Hilfe brauchen! Bestimmt würde sie uns aufnehmen, und wir müssten gar nicht in ein Heim“, widersprach Heiko. „Außerdem sind wir keine kleinen Kinder mehr. Man kann uns nicht mehr nach Belieben rumschubsen. Damals mag unsere Angst berechtigt gewesen sein, aber heute?“
    „Ach, woher willst du das wissen? Und was, wenn Waltraud uns gar nicht bei sich aufnehmen will, wenn sie nur deshalb so freundlich zu uns ist, weil Anton noch lebt? Haben wir es ihr erst einmal erzählt, gibt es kein Zurück mehr. Sie werden uns trennen, therapieren, und wir werden uns erst nach vielen Jahren wiedersehen! Besser, es bleibt, wie es ist!“
    „Denk noch mal drüber nach, Hele, bitte!“ Dann wechselte Heiko das Thema: „Hast du Angst, morgen nach St. Gertraud zu ziehen?“
    „Ein bisschen. Heute ist alles anders.Wir sind keine kleinen, wehrlosen Kinder mehr.“
    „Sie haben Papa niedergeschlagen.“
    „Ja, aber er wird wieder. Und wir müssen nicht ins Heim.“
    Sie saßen schweigend nebeneinander und lauschten jeweils den Atemzügen des anderen.
    „Und du, hast du Angst?“, fragte Helene ihren Bruder plötzlich.
    Heiko, der geglaubt hatte, sie wäre wieder eingeschlafen, zuckte erschrocken zusammen.
    „Ich habe eher ein ungutes Gefühl – so als könnte ich ein Unglück auf uns zukommen sehen.“
    „Vielleicht hat Papa nur aus Versehen überlebt. Möglich, dass er eigentlich an dem Schlag sterben sollte“, überlegte Helene. „Dann wird der Angreifer vielleicht auch uns auflauern und versuchen, uns zu töten!“
    „Meinst du, dass wir in Lebensgefahr schweben?“
    „Sei nicht albern, Heiko! Wir leben seit so vielen Jahren mit einem Mörder zusammen – wir sind Überlebenskünstler! Gefahr von außen brauchen wir da wohl kaum zu fürchten!“
    „Hele, Mama starb vor unseren Augen. Und ich saß einfach nur da, habe in die Luft gestarrt und nichts getan. Wäre ich aus unserem Versteck gekrochen, hätte sie wahrscheinlich nicht sterben müssen. Konsequenter gedacht: Ich bin schuld an ihrem Tod! Und Hele – ich will nicht auch noch an deinem schuld sein!“ Heiko begann zu weinen, und Helene kuschelte sich tröstend an ihn.
    „Ich passe schon auf mich auf! Keine Sorge. Es ist etwas anderes, was mich immer wieder beschäftigt. Ich träume sogar davon. Wenn der Tod gewusst hätte, dass wir unter dieser Decke sitzen – hätte er uns beide dann ebenfalls geholt? Wir wissen ja nicht, warum er es tat – vielleicht waren wir ihm auch im Weg, und er wollte …“
    „Ich weiß es nicht. Hele, denk noch mal über das nach, was ich dir gesagt habe. Dies ist endgültig unsere letzteNacht hier. Vielleicht sollten wir uns Tante Waltraud doch anvertrauen. Das mit dem Heim war sicher nur die Lieblingsdrohung von Tante Berta, damit wir keinen Unsinn machten, während sie auf uns aufpasste.“
    Sanft streichelte er ihre Schulter.
    „Heiko? Ich habe damals gehofft, dass er weitergeht.
    Dabei habe ich gewusst, dass er dann Mama mit sich nehmen wird … Dennoch habe ich mir in diesem Moment nichts sehnlicher gewünscht, als dass er an unserem Versteck vorbeigeht!“, presste das Mädchen erstickt hervor. „Ich habe ihren Tod gewünscht!“
    Heiko nickte und drückte Helene an sich.
    Wenn er nur wüsste, wer seinen Vater niedergeschlagen hatte. Zu dumm, dass der Täter unerkannt entkommen war. Vielleicht, überlegte Heiko, handelte es sich um dieselbe Person, die damals Helene so entsetzlich

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