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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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Möglicherweise ist der noch gar nicht da!“
    Doch da irrte der Pfarrer.
    Nocturnus war längst vor Ort und beobachte die Dorfgemeinschaft sehr genau.
    „Ich weiß nicht, irgendwie ist das eigenartig.“ Mario wälzte sich in seinem Bett auf die rechte Seite und sah Julian an.
    „Was ist eigenartig?“, fragte Julian. „Dass wir nicht mehr zu Schule gehen? Dass wir endlich authentisch leben? Dass wir ausgerissen sind und diese widerliche häuslicheEnge hinter uns gelassen haben? Dass wir endlich begriffen haben, um was es geht im Leben? Dass wir Leute gefunden haben, denen wir nicht gleichgültig sind, die sich um uns sorgen und für uns da sind?“
    „Vielleicht.“ Mario zögerte. „Aber noch eigenartiger finde ich, dass wir hier Spaß haben und den hereinbrechenden Winter genießen. Dass wir völlig unbeschwert sind, obwohl wir einen Menschen umgebracht haben!“
    „Jetzt fang bloß nicht wieder damit an! Belastet dich der Gedanke etwa?“
    „Nein, das ist es ja gerade. Er belastet mich nicht – außer, wenn ich darüber nachdenke, ob wir je wieder nach Köln zurückfahren können. Und gerade das ist doch sonderbar!“
    „Nein, ist es nicht. Wenn man eine Schildlaus zerdrückt oder einen Floh zerquetscht, denkt man auch nicht tagelang über deren Tötung nach! Du hast doch gehört, was Nocturnus gesagt hat: Die Satanisten erweisen der Gesellschaft durch solche Aktionen einen großen Dienst. Sie vernichten das Ungeziefer. Sogar die Politiker sind uns dankbar, dürfen das aber nicht aussprechen, weil sonst Unruhe ausbrechen würde. Aber im Grunde wissen sie, dass unsere Welt ohne die Ameisen, die wir darstellen, nicht existieren kann.“
    „Ja, ja. Ich habe ja auch kein Problem mit der Tat an und für sich. Verstehst du, ich hätte das nur nie von mir angenommen.“
    „Wir haben ein neues Leben angefangen – und abgesehen von Nocturnus kann uns niemand mehr etwas verbieten. Satan billigt unsere Tat explizit, hat Nocturnus gesagt und uns dabei angesehen wie echte Gesandte der Hölle. Und ,Satans Augenmerk liegt auf euch, denn die besonders Befähigten begleitet er zu jeder Stunde!‘ Wow, Mario!
    Weißt du, ich glaube, als wir zur schwarzen Messe gingen und dort den ersten Eid schworen, haben wir gewusst, dass wir auch töten werden, weil wir das von richtigen Satanisten auch erwartet haben! Wir waren von Anfang an dazu bereit, sonst wäre unsere erste Weihe auch nicht so spektakulär geworden – besonders bei dir!“
    „Du hast Recht. Nocturnus hat von Anfang an behauptet, wir seien Auserwählte!“
    „Denk an den Penner wie an einen giftigen Wurm, der das Gesamte zersetzt, wenn man ihm nicht mutig und entschlossen Einhalt gebietet!“ Julian lachte Mario leise aus.
    „Du glaubst also, wir sind völlig normal?“
    Julian prustete laut los und tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
    „Das, was hier hinter dieser Stirn abläuft, ist total in Ordnung, und was bei dir abgeht auch. Normal ist ohnehin kein absoluter Begriff – er ist Definitionssache.“
    Er setzte sich zu seinem Freund aufs Bett und rieb sich zufrieden die Hände.
    „Ey, Warrior! Der Tod ist ganz normal. Wir haben uns einfach befreit. Die Aktion ist bei uns auf so fruchtbaren Boden gefallen, dass man sagen muss: Wir waren reif dafür. Es ist okay.“
    „Bestimmt“, meinte Mario, der tatsächlich keinerlei Schuldgefühle empfand. „Ich glaube, ich mache mir nur Sorgen, weil ich nicht weiß, was Yvonne davon halten wird“, bekannte er dann.
    „Sie liebt dich, also wird sie es auch verstehen!“, stellte Julian kategorisch fest.
    Mario war sich da nicht so sicher.
    „Helene?“
    Heiko war leise ans Bett seiner Schwester herangetreten. Nachdem es keinen Schrank gab, in dem sie sich verkriechen konnte, hatte Helene viele Kissen um sich herumgestapelt, die Bettdecke über den Kopf gezogen und über die gesamte Konstruktion zudem noch ein Laken gebreitet. Wäre nicht ihre Hand im Schlaf durch ein paar Kissen hindurchgeschlüpft, hätte ihr Bruder nicht einmal gewusst, wo genau sich Kopf oder Füße befanden.
    „Helene!“, flüsterte er und berührte vorsichtig ihre schmale Hand.
    Träge bewegte sie sich und tauchte schließlich mit verwirrtem Blick zwischen ihren Aufbauten auf.
    „Heiko! Ist etwas passiert?“, ächzte sie, gähnte verschlafen und setzte sich schwankend auf.
    „Ich muss mit dir reden!“
    „Spinnst du? Hat das nicht Zeit bis morgen?“ Sie warf sich wieder aufs Bett zurück.
    „Hey, Hele, setz dich wieder

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