Steirerherz
Platz genommen hatten. Auch im Sitzen ließ sich das
Treiben im Studio von der Galerie aus beobachten.
Sandra warf Miriam einen auffordernden
Blick zu, während sich der Fotograf hektisch eine Zigarette anzündete.
Die junge
Kollegin räusperte sich und rieb die Handflächen an ihren hautengen Jeans. »Es dauert
bestimmt nicht lange, Herr Kramer«, meinte sie schüchtern.
»Ja, ja. Das
sagten Sie schon. Also, schießen Sie los!«
»Es handelt
sich bloß um eine Routinefrage in einem Mordfall …«
»Ja?«, meinte Kramer ungeduldig
und zog an seiner Zigarette.
»Genauer gesagt, geht es um das
Alibi Ihres Assistenten Volker Neidhardt, welches wir überprüfen müssen.«
Kramer lachte auf. »Verdächtigen
Sie etwa Volker eines Mordes? Das ist doch …«
»Nein, nein. Wie gesagt. Es gehört
zur Routine …«
»Und weiter? Kruzitürken! Ich muss
hier weiterarbeiten!«, schimpfte er.
Miriam zog Farbe auf.
Sandra sprang für die junge Kollegin
in die Bresche. »Herr Neidhardt hat ausgesagt, am Freitag, dem 26. August, in Ihrem
Auftrag Motive für einen Fotokalender gesucht zu haben. Können Sie sich daran erinnern?«
»Moment«, meinte Charly Kramer und
griff nach dem Buchkalender auf dem Beistelltisch neben sich. »Freitag, sagten Sie
…, ja, das kommt hin. Er war den ganzen Tag auf Locationsuche und hat mir um 17
Uhr jede Menge Fotos und meinen Wagen zurückgebracht. Der Bursche hat ein ganz außergewöhnliches
Auge«, meinte er. »Aus dem könnte glatt noch was werden. Aber behalten Sie das bloß
für sich. Sonst verlangt er womöglich mehr Honorar von mir.«
»Könnten wir diese Fotos sehen?«,
fragte Sandra.
»Aber doch nicht jetzt! Ich stell
sie Ihnen auf meinen Server und schick Ihnen dann die Zugangsdaten«, schlug er vor.
»Danke. Kannten Sie das Mordopfer
Valentina Trimmel eigentlich persönlich?«
»Ich? Diese Vogelscheuche?«
»Das Opfer wurde gepfählt, ja«,
erwiderte Sandra und ärgerte sich einmal mehr über den pietätlosen Ausdruck, den
die Presse im Nu verbreitet hatte.
»Krasse Geschichte. Volker hat mir
davon erzählt. Na ja, und die Medien sind ja auch alle voll davon. Aber persönlich
gekannt hab ich sie nicht. Nein.«
»Vielen Dank, Herr Kramer. Das war’s
dann auch schon wieder.«
»Auf Wiedersehen«, sagte er und
erhob sich eilig. Zu Miriam gewandt, meinte er noch: »Haben Sie schon mal ein professionelles
Testshooting gemacht, junge Dame?«
Erneut errötete Miriam. »Ich? Nein …«, meinte sie zaghaft.
»Seien Sie nicht so schüchtern,
Kind! Sie könnten ein ganz brauchbares Model abgeben.« Kramer musterte Miriam von
oben bis unten. »Gute Haut, gute Haare, schöne Zähne. Größe und Figur passen auch.
Also …, wenn
Sie möchten, kann Volker ein Testshooting mit Ihnen machen. Dann sehen wir weiter.«
»Echt?« Ein Strahlen breitete sich
auf Miriams Gesicht aus. Hilfesuchend sah sie Sandra an.
Sandra zuckte mit den Schultern.
»Von mir aus. Was du in deiner Freizeit tust, geht mich nichts an«, sagte sie.
»Gut. Dann rufen Sie Volker in den
nächsten Tagen an und lassen sich einen Termin geben. Hier ist die Studionummer«,
sagte Charly Kramer und griff in die Brusttasche seines Hemds. Dann machte er auf
dem Absatz kehrt. »Los, Leute! Weiter geht’s! Wir sind ja nicht zum Spaß hier!«,
donnerte er, während er über die freitragende Treppe hinabstieg.
Miriam stand wie angewurzelt auf
der Galerie und starrte noch immer fassungslos auf die Visitenkarte. »Ich kann es
nicht glauben: Charly Kramer will mich als Model haben.«
»Lass bloß Bergmann nichts davon
wissen«, warnte Sandra sie und schob sie vor sich her in Richtung Treppe.
Kapitel 4
Mittwoch, 31. August
»Herr Hausner? Frau Holzinger?«
Das junge Pärchen, das dem Flugzeug
soeben über die mobile Gangway entstiegen war, reagierte überrascht auf die unbekannte
Frau in Jeans und Lederjacke, die sie an der Abstellposition der Lufthansa-Maschine
am Flughafen Graz Thalerhof ansprach. Carolina Holzinger wirkte genervt, während
Egon Hausner lächelte. Wie der Vater, so der Sohn, dachte Sandra, wobei das Lächeln
des jungen Hausner eher unsicher als aufgesetzt wirkte.
Sandra bat die beiden, ein paar
Schritte beiseite zu treten, damit sie die anderen Passagiere nicht beim Einsteigen
in den Bus behinderten, und stellte dann sich und Bergmann vor.
Egon Hausners Lächeln verschwand
augenblicklich. »Mordgruppe, sagten Sie?«, fragte er sichtlich erschrocken. »Ist
leicht wer umgebracht
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