Steirerherz
seine Qualitäten …« Andrea kicherte, ehe sie fortfuhr: »Immer nur Mord und Totschlag
tut dir nicht gut.«
Damit hatte die Freundin hundertprozentig
recht. »Ich hoffe, dieser Radio-Reini glaubt jetzt nicht, dass ich auf der Suche
nach einem Mann bin.«
»Du doch nicht …«
»Was soll das jetzt bitte wieder
heißen?«
»Nichts. Ein bisschen Frischfleisch
würde dir jedenfalls nicht schaden. Oder bist du inzwischen Vegetarierin geworden?«
Wieder kicherte Andrea.
»Das nun nicht gerade, aber dem
Gedanken an eine Beziehung kann ich momentan überhaupt nichts abgewinnen. Viel zu
anstrengend …«
»Apropos Frischfleisch: Du denkst
doch an die Spareribs.«
»Die hab ich längst mariniert. Ich
komm am Nachmittag und helf dir mit den Saucen.«
»Sagen wir um 16 Uhr?«
Sandra bestätigte Andrea die Uhrzeit
und legte auf. Wenn sie vorher noch joggen gehen wollte, musste sie sich allmählich
sputen. Das Frühstücksgeschirr konnte sie nach dem Sport auch noch in die Spülmaschine
räumen. Schließlich war sie nicht daheim bei der Mutter, wo alles stets penibel
sauber und ordentlich aufgeräumt zu sein hatte. Wie es der Mutter wohl ging?, fragte
sich Sandra, während sie die Laufschuhe zuschnürte. Vor einem Jahr hatte sie endgültig
mit ihrer Mutter gebrochen – auf deren Wunsch und zur eigenen Erleichterung. Wirklich
zu sagen hatten sich die beiden schon lange nichts mehr gehabt. Dafür hatte sich
zum Streiten immer wieder eine Gelegenheit gefunden. Bis auf eine unbeantwortete
Karte an Weihnachten und eine zu Mutters 58. Geburtstag war jeglicher Kontakt zwischen
Sandra und Helga Feichtinger abgerissen. Offenbar konnte die Mutter noch immer nicht
verwinden, dass die aufmüpfige Tochter ihren heiß geliebten Sohn Mike hinter Gitter
gebracht hatte. Selbst wenn dieser seine Halbschwester Sandra zuvor krankenhausreif
geprügelt hatte. Dass Helga Feichtinger nach ihrem anschließenden Selbstmordversuch
und dem Aufenthalt in der Nervenheilanstalt seit gut acht Monaten wieder daheim
wohnte, wusste Sandra von ihrem Exfreund Max, der ebenfalls im steirischen Krakautal
lebte. Mehr wollte sie auch gar nicht wissen. Nicht über ihre Mutter und schon gar
nicht über Mike. Dass ihr Halbbruder schon bald aus der Justizvollzugsanstalt Jakomini
entlassen werden würde, verdrängte Sandra lieber.
Das Laufen half ihr, die bedrückenden
Gedanken an die Familie abzuschalten. Ihre Füße folgten dem Takt der Musik, die
vom mp3-Player direkt in ihre Ohren dröhnte. Rihanna gab mit ihrem Song ›S&M‹
das Tempo vor, in dem Sandra die Murpromenade entlangtrabte. Auf einmal sah sie
ihn an der Uferböschung stehen. Ja, er war es tatsächlich!
Bergmann bemerkte sie nicht. Dafür
war er viel zu sehr in die Diskussion mit einer Frau vertieft. Sandra drosselte
ihr Tempo und drückte den Pause-Knopf am mp3-Player. Während sie langsam hinter
seinem Rücken vorbeilief, konnte sie einen Blick in das verzweifelte Gesicht der
Blondine werfen, die wild gestikulierend auf ihn einsprach. Sie mochte vielleicht
Mitte 30 sein – nur wenige Jahre älter als sie selbst, schätzte Sandra. »Meinst
du, ich wäre extra hierhergekommen, um es dir persönlich mitzuteilen, wenn es mir
nicht unsagbar leid täte?«, hörte sie die Frau fragen, die ihr einen unvermittelten
Blick zuwarf. Sandra wandte ihre Augen blitzartig ab, erhöhte die Schrittfrequenz
und schaltete die Musik wieder an. Nach einer Affäre hatte das für sie eben nicht
ausgesehen. Ob das vielleicht Bergmanns Frau war, von der er seit über einem Jahr
getrennt lebte? Sie versuchte, sich an ihren Namen zu erinnern. Ma … Ma … Marion? Nein, Manuela, fiel
ihr der Vorname wieder ein. Warum besuchte die Wienerin ihren zukünftigen Exmann
in Graz, wenn die Scheidung doch in Wien abgewickelt wurde? Und was tat ihr bloß
so leid? Was hatte sie Bergmann denn so Schreckliches angetan? Nicht, dass sich
Sandra für die turbulenten Beziehungen ihres Kollegen interessierte, doch die Szene
hatte die Kriminalistin in ihr geweckt. Möglicherweise war die Frau ohnehin nur
wieder eines seiner Gspusis, überlegte sie und drehte die Musik noch ein wenig lauter, um damit alle weiteren
Gedanken an Bergmann und seine Frauengeschichten zu übertönen. Was um alles in der
Welt kümmerten sie die privaten Probleme ihres Kollegen? Noch dazu an einem strahlend
schönen, freien Tag wie heute.
Kurz nach vier Uhr nachmittags betrat
sie mit ihren marinierten Spareribs die großzügige Dachterrassenwohnung, um die
sie
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