Steirerherz
ich
meine Notdurft vielleicht rausschwitzen, oder was?«, konterte die Frau.
Sandra räusperte sich. »Schon gut.
Derartige Bedürfnisse sind ja nur menschlich.«
»Pah! Menschlich? Meine Frau ist
undicht, so oft wie die aufs Klo rennt«, beschwerte sich Gerhard Bauernfeind.
»Und du bist woanders nicht ganz
dicht«, entgegnete seine Frau und tippte mit dem Zeigefinger mehrmals gegen ihre
Schläfe.
Sandra musste unwillkürlich an Julius
denken. Ob sie sich nach einigen Jahren Ehe ebenso verhalten würden? Sie erschrak
über ihren Gedanken. Wie kam sie in diesem Zusammenhang überhaupt auf Julius? Er
hatte sich seit Sonntagabend nicht mehr bei ihr gemeldet. Langsam würde sie sich
wohl oder übel damit abfinden müssen, seine samtige Stimme künftig nur noch im Radio
zu hören. Schade eigentlich. Oder sollte sie ihn einfach anrufen?
»Ich sag’s ja. Das ist alles deine
Schuld.« Gerhard Bauernfeinds anklagende Worte holten Sandra in die Realität zurück.
»Haben Sie sich der Leiche genähert
oder sie gar angefasst?«, wollte sie wissen.
»Um Gottes willen, nein! Wo denken
Sie hin? Ich hätt mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Ich meine, wenn ich mein
Geschäft nicht eh gerade erledigt gehabt hätte. Ich hab mich nicht von der Stelle
gerührt und meinen Mann gerufen.«
»Und Sie?«, wollte Sandra von Herrn
Bauernfeind wissen.
»Ich? Na, ich bin gleich zu meiner
Frau rüber. Näher als sie bin ich aber auch nicht zu der Toten hin. Das war mir
viel zu grauslich. Obwohl’s eigentlich eine schöne Leich’ war …«
»Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?
Oder ist Ihnen im Weingarten jemand begegnet? Vorher vielleicht oder nachher? Überlegen
Sie bitte mal. Alles könnte von Bedeutung sein.«
»Nein …, ach ja, doch. Von oben sind uns
vier Damen mit Nordic Walking-Stöcken entgegengekommen. Die müssen so in unserem
Alter gewesen sein«, berichtete Frau Bauernfeind.
»Ich hab mich noch darüber lustig
gemacht, weil ich die Hatscherei mit den Stecken so deppert find’«, ergänzte Herr
Bauernfeind. »Das ist doch kein Sport, bitte schön.«
»Sonst noch was?«, fragte Sandra.
Bauernfeind überlegte nicht lange.
»Ja. Das waren vier Piefke-Tanten«, berichtete er weiter.
»Deutsche Touristinnen also … Sind sie Ihnen vor oder nach dem
Leichenfund begegnet?«, fragte Sandra.
»Kurz davor«, antwortete Frau Bauernfeind.
»Ich hab noch gewartet, bis die Damen außer Sichtweite waren, bevor ich zum Wasserlassen
in den Weingarten abgebogen bin.«
»Die Damen sind Ihnen also von oben
her entgegengekommen?«, vergewisserte sich Sandra.
Die Bauernfeinds nickten im selben
Takt.
»Haben Sie sonst noch jemand in
der Gegend gesehen?«
»Nur den alten Fürnpass, da draußen
auf dem Bankl. Der hat seinen Steirerhut gelüpft, wie wir ihn im Vorbeigehen gegrüßt
haben«, meinte Gerhard Bauernfeind.
»Wir kennen das Weingut und die
Winzerfamilie schon vom letzten Jahr. Da sind wir ein paar Mal hier eingekehrt,
weil uns der Schilcher so gut geschmeckt hat«, erklärte Renate Bauernfeind.
»Und du hast davon wieder tausend
Mal aufs Klo rennen müssen«, ergänzte ihr Mann.
Renate Bauernfeind warf ihm einen
giftigen Blick zu.
Der älteren Tochter des Hauses waren
die beiden offenbar noch nie begegnet, sonst hätten sie deren Leichnam doch erkennen
müssen, kombinierte Sandra. Sie hielt es nicht für nötig, die Bauernfeinds über
die Identität der Toten aufzuklären. Es würde ohnehin nicht allzu lange dauern,
bis die Journalistenmeute hier aufkreuzte und wesentlich mehr preisgab, als für
die polizeilichen Ermittlungen förderlich war. »Das wär’s dann«, meinte sie abschließend
zu den Bauernfeinds. »Halten Sie sich bitte für etwaige weitere Fragen zur Verfügung.«
»Wir sind aber nur mehr bis Samstag
hier«, sagte Renate Bauernfeind.
»Das macht nichts. Wir haben ja
Ihre Daten«, meldete sich Miriam zu Wort. Dabei strahlte sie Herrn Bauernfeind dermaßen
freundlich an, dass dieser verlegen wegsah. Womöglich wäre ihm sonst ein Lächeln
über die Lippen gekommen.
»Ich hoffe, dieser Zwischenfall
hat Ihnen Ihren Urlaub im Schilcherland nicht total vermasselt«, wandte sich die
junge Kollegin nun an Frau Bauernfeind und klang dabei wie eine Vertreterin des
Tourismusverbandes. In ihrem schwarzen Kostüm, dessen Rock gerade mal bis zu den
Knien reichte, nahm man Miriam die Jungmanagerin ohnehin viel eher ab als die Kriminalpolizistin.
Oder aber das Model, das man in ein Businessoutfit gesteckt
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