Steirerherz
nicht?«
»Weil der Typ auf kleine Mädchen
steht. Nicht auf erwachsene Frauen. Die machen ihm Angst.«
»Oder er hasst sie so sehr, dass
er sie umbringt«, meinte Miriam.
»Als Nächstes erzählst du uns, dass
er als Kind Tiere zu Tode gequält und später seine Mutter umgebracht hat«, witzelte
Bergmann.
»Na ja, ich meinte ja nur …«, reagierte Miriam eingeschnappt.
Wie Sandra fand, zurecht, darum sprang sie für sie in die Bresche. »Ist schon okay,
Miriam. Hier darf jeder sagen, was er will. Es schadet ja nicht, alle Theorien auf
den Tisch zu legen. Wir werden uns den Mann sowieso noch ein wenig genauer ansehen.«
»Heilige Sandra, bitte für uns.
Jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen«, murmelte Bergmann vor sich hin.
Sandra ignorierte ihn und versuchte,
Miriam mit einem Lächeln aufzumuntern. Auch wenn ihre Fantasie oft wilde Blüten
trieb, konnte es nicht schaden, sie anzuhören. Immerhin bestand die Möglichkeit,
dass die junge Inspektorin mit ihrem wenig vorbelasteten Blick etwas bemerkte, das
die erfahrenen Kollegen aus Betriebsblindheit übersahen.
»Hast du noch eine Theorie?«, ermutigte
Sandra sie weiterzureden, während Bergmann wieder einmal zum Bleistiftspitzer griff.
»Na ja …«, meinte Miriam zögerlich.
»Na ja, was?« Sandra sah ihr in
die Augen.
»Vielleicht wollten Valentina und
Pia die sexuellen Übergriffe von damals jetzt auffliegen lassen …«
»Und Laubichler hat sie getötet,
um das zu verhindern?«, vollendete Sandra ihren Satz.
Miriam zuckte mit den Schultern
und äugte zu Bergmann hinüber. Der drehte seinen Bleistift schweigend im Spitzer
herum.
»Ich denke nicht, dass Laubichler
die beiden Frauen auf diese Weise umgebracht hat«, gab sich Sandra schließlich selbst
die Antwort. »Wären sie Kinder gewesen, vielleicht …«, räumte sie ein.
Bergmann hörte mit dem Spitzen auf.
»Ihr könnt eure Märchenstunde jetzt beenden. Laubichler hat nämlich ein Alibi. Zumindest
für den Mord an Pia Fürnpass.«
»Wie bitte?« Verblüfft lehnte sich
Sandra auf ihrem Bürostuhl zurück.
»Du hast schon richtig gehört. Laubichler
hat ein Alibi«, wiederholte Bergmann. »Während die Fürnpass ermordet wurde, hat
er ein Sex-Video aufgezeichnet, auf dem er eindeutig zu erkennen ist. Und das Datum
wurde nicht manipuliert«, berichtete er weiter.
»Ach nein. Und wann hattest du vor,
uns das mitzuteilen?«, fragte Sandra.
»Genau jetzt.« Bergmann grinste
und rieb sich im Aufstehen die Hände. Sandra verfolgte seinen Weg zur Magnettafel
mit grimmigen Blicken. Wieso war er nicht gleich mit dieser wichtigen Neuigkeit
herausgerückt?
»Ich hab es selbst eben erst erfahren.
Vom Kollegen Hammerschmidt aus der Internet-Abteilung. Als ich gerade eine rauchen
war«, beantwortete er die Frage, die Sandra gar nicht ausgesprochen hatte.
»Und warum lässt du uns dann noch
so lang hier herumdiskutieren?«
Bergmann nahm den Schwamm und den
blauen Edding zur Hand. »Ich wollte nur mal sehen, wie es um eure Ermittlerqualitäten
bestellt ist.« Mit dem Schwamm wischte er ein rotes Fragezeichen weg. Dann zog er
die Kappe vom Stift und schrieb das Alibi des Verdächtigen unter dessen Namen. Was
sollte dieser Test jetzt wieder?, fragte sich Sandra und ärgerte sich einmal mehr
über die Überheblichkeit des Chefinspektors. Zweifelte er etwa an ihren Fähigkeiten?
Er musste doch längst wissen, dass sie eine gute Ermittlerin war. Und Miriam stellte
sich für eine Anfängerin doch auch recht geschickt an. Außerdem hatten sie wahrlich
Wichtigeres zu tun, als ihre Zeit mit solchen Spielchen zu verplempern. Schon wollte
sie Bergmann daran erinnern, dass sie ein Team waren, das an einem Strang zog, als
er fortfuhr. »Wir sollten jetzt die Reichelt ins Boot holen«, verkündete er und
legte den Stift zurück auf die Ablage.
Endlich wieder einmal eine sinnvolle
Meldung aus seinem Mund, dachte Sandra erfreut und griff sofort zum Telefon. Auf
Christiane Reichelt hielt sie große Stücke. Am liebsten hätte sie in deren Team
gearbeitet. Der Kriminalpsychologie hatte schon immer Sandras große Leidenschaft
gegolten. Und einer solchen Koryphäe wie Christiane Reichelt konnte sie stundenlang,
ach was, tagelang zuhören. Leider war sie derzeit nicht in ihrem Büro zu erreichen.
Sandra legte wieder auf.
»Lass uns noch bei dieser Studentin
vorbeischauen. Jetzt sollte sie doch eigentlich zu Hause sein, hat es geheißen.«
Bergmann holte seine Jacke vom Garderobenständer, und auch Sandra erhob sich.
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