Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me
Keiner sprach ein Wort.
Nach einer ganzen Weile durchfuhren wir den Ort Viersen-Süchteln. Zu unserem Glück befand sich auf der Straße ein riesiger Bombentrichter. Diesen musste der Fahrer ganz langsam umfahren, um nicht zu verunglücken. Meine Freunde und ich haben uns kurz angeguckt. Unsere Blicke schrien: „Raus!“
Fast zeitgleich sprangen wir hinten aus dem Schlitz in der Plane. Wir rannten wie um unser Leben, bis zum nächsten Bombentrichter und sprangen hinein. Der LKW rumpelte über die kaputte Straße, als ob nichts passiert wäre. Geduckt sind wir weiter gerannt und in irgendein Haus rein gelaufen. Hier haben wir uns versteckt, bis der LKW außer Sichtweite war. Die anderen Jungen haben das selbstverständlich bemerkt, doch offensichtlich hatte uns keiner verraten.
Während wir auf die Dämmerung warteten, überlegten wir, wie wir am besten nach Düsseldorf zurückkämen. Wir planten, im Schutze der Dunkelheit über die alte Hammer Eisenbahnbrücke zu laufen, die nicht weit entfernt von der Südbrücke, zur Stadt hin, den Rhein überspannte.
So machten wir uns nach Einbruch der Dämmerung auf den Weg Richtung Düsseldorf. Wir flüchteten von Dorf zu Dorf. Im Wechsel rennend oder gehend. Immer auf der Hut vor den Uniformierten, die uns vielleicht suchten.
Obwohl ich aus dem Erzgebirge abgehauen war, um mein Leben zu retten, habe ich in den Augen der Nazis fast so etwas wie Fahnenflucht begangen. Ich hatte zwar keinen Eid abgelegt, aber das interessierte niemanden.
Nach einem ungefähr fünfzehn Kilometer langen Fußmarsch kamen wir in Mönchengladbach an. Hier beschlossen wir, auf einen Zug zu springen, der nach Düsseldorf fuhr.
Wir erreichten den Bahnhof und ich schaute auf einen Fahrplan, während meine Freunde aufmerksam das Bahnhofsinnere beobachteten, ob vielleicht Kettenhunde auftauchten. In der nächsten Stunde sollte ein Zug nach Dortmund einfahren, der über Düsseldorf fuhr.
Wir kauerten uns am Ende des Bahnsteigs neben eine Säule und warteten ungeduldig auf den Zug. Ich hoffte inständig, dass wir wieder nach Hause kommen.
Tatsächlich lief kurz darauf ein Zug ein. Außen am Waggon war ein Schild befestigt, auf dem im Verlauf der Stationen auch Düsseldorf zu lesen war.
Aus Angst, vor den scharfen Kontrollen am Düsseldorfer Hauptbahnhof, verließen wir den Zug schon am Bilker Bahnhof. Doch auch hier musste man, wie damals üblich, vor Betreten des Bahnsteiges eine Bahnsteigkarte oder eine Fahrkarte lösen, die man beim Verlassen des Bahnhofes wieder vorzeigen musste. Da wir weder eine Bahnsteigkarte noch eine Fahrkarte hatte, sprach ich einen Mann an, der gerade den Bahnsteig verließ, ob er jedem von uns eine Bahnsteigkarte kaufen könne, da wir unsere verloren hätten. Er murmelte zwar kopfschüttelnd: „Meine Güte, wie kann man die denn verlieren?“ Doch er nahm von jedem zehn Pfennig zum Kauf der Karten und reichte uns diese an. Nun konnten wir den Bahnsteig ohne aufzufallen verlassen.
Pferdefleisch
Ende Februar war der Krieg noch nicht offiziell beendet. Doch da die Amerikaner schon fast bis Neuss vorgerückt waren, einer Stadt auf der gegenüberliegenden linken Rheinseite, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Düsseldorf erreichen würden. Die meisten Menschen, auch meine Familie und unsere Nachbarn, wohnten im Keller. Entweder aus Sicherheitsgründen oder weil die Häuser zerstört waren.
Wir vier Freunde haben uns Mal wieder auf den Weg gemacht. Dieses Mal auf Fahrräder und mit leeren Rucksäcken auf dem Rücken. Wir wollten unser Glück versuchen und bei den Bauern in Grimlinghausen und Umgebung etwas Essbares erbetteln.
Als wir die Südbrücke erreichten, konnten wir dumpf die Detonationen und Schüsse der nicht allzu weit entfernten Front hören.
Deutsche Soldaten, ihre Gewehre geschultert, mit ihrem Rucksack auf dem Rücken, kamen uns müde und resigniert entgegen. Auch Pferdefuhrwerke rollten über die Brücke Richtung Düsseldorf. Lange Wagen mit zwei Achsen und großen Deichseln - ähnlich wie ein Heuwagen. Darauf lagen die Verwundeten. Notdürftig behandelt und mit Wolldecken bedeckt.
Ein Soldat sprach uns an: „Wo wollt ihr denn hin?“
Ich antwortete: „Richtung Grimlinghausen.“
Entgeistert rief er: „Was!? Geht mal schnell wieder zurück. Dort ist die Front. Da wird scharf geschossen und da rollen gleich die Panzer durch. Ob ihr von dort noch mal zurückkommt, ist fraglich. Die Panzer rücken näher und schießen andauernd mit ihren
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